Graf Zeppelin: Der 263 Meter lange Koloß liegt auf dem Grund der Ostsee. Stukas und Me 109 sollten von ihr aufsteigen. Sie wurde nie fertig. Trotzdem ist das Schiff Legende. Wird es jetzt gehoben?

Hamburg. 59 Jahre lang blieb es verschollen und preschte ruhelos - ein zweiter "Fliegender Holländer" - durch die Träume zahlloser Wracktaucher, Seekriegshistoriker und Schiffsfans. Jetzt ist das Geheimnis des letzten vermißten Großkampfschiffes von Hitlers Kriegsmarine endlich gelüftet worden: Polnische Ölsucher und Vermessungsspezialisten haben das Wrack des einzigen Flugzeugträgers der deutschen Seekriegsgeschichte "mit 99prozentiger Sicherheit" 55 Kilometer nördlich der polnischen Ostsee-Küstenstadt Wladyslawowo geortet. Der letzte Liegeplatz der 33 350 Tonnen Wasser verdrängenden "Graf Zeppelin" liegt in 85 Meter Tiefe.

"Dies ist eine der größten Entdeckungen in der Ostsee", triumphierte ein Sprecher der polnischen Marine, "alles weitere ist jetzt Sache der Historiker". Der Chef des Marinemuseums in Wilhelmshaven, Stefan Huck, sprach von einem "maritimen Sensationsfund".

Was aus diesem werden wird? Niemand weiß es, gewiß ist nur eines: Hitlers erster und letzter Flugzeugträger, der rund 100 Millionen Reichsmark gekostet, aber im Zweiten Weltkrieg keinen einzigen scharfen Einsatz gefahren hatte, gehört nach internationalem Seerecht der Bundesrepublik Deutschland.

Das Interesse von Tiefseeforschern, Seekriegshistorikern und Schiffbauingenieuren wird sich zunächst aber auf andere Ziele konzentrieren: In welchem Zustand ist das Wrack? Könnte es gehoben werden? Vor allem aber: Warum ist die "Graf Zeppelin" wirklich gesunken?

Diese Frage hatte seit Kriegsende viele, teilweise bizarre Gerüchte lanciert. Beispiele: Die "Graf Zeppelin" sei, vollgepackt mit sowjetischer Kriegsbeute, auf dem Weg nach Leningrad im Schlepp gekentert.

Oder: Sie sei, auf Verlangen der Alliierten beladen mit Gasgranaten, in der Ostsee versenkt worden.

Oder: Als Kriegsbeute sei sie auf dem Weg nach Leningrad durch eine Seemine schwer beschädigt und in einer sowjetischen Werft abgewrackt worden.

Oder - und dies ist die wahrscheinlichste Lösung des Rätsels - die "Graf Zeppelin" sei als Zielschiff der sowjetischen Baltischen Flotte am 18. Juni 1947 durch Torpedos und Granaten versenkt worden.

Kommende Untersuchungen des durch einen polnischen Unterwasserroboter identifizierten Schiffwracks werden die Ursachen des Untergangs zweifellos schnell ans Licht bringen.

Flugzeugträger haben im Zweiten Weltkrieg den Seekrieg im Pazifik entschieden, sechs altmodische, stoffbespannte britische Doppeldeckerflugzeuge dem deutschen Schlachtschiff "Bismarck" mittels eines Torpedotreffers ins Ruder den Todesstoß versetzt. Der per Atomkraft angetriebene Flugzeugträger der amerikanischen "Nimitz"-Klasse, der über Jets, Cruise-Missiles und Atom-Sprengköpfe verfügt, gilt als eine der strategischen Superwaffen der Gegenwart.

Das konnten Hitler und seine Planer, als sie am 16. November 1935 ihren "Flugzeugträger A" in Auftrag gaben und 93 Millionen Reichsmark bereitstellten, natürlich nicht wissen. Tatsächlich wußten sie nicht einmal, wie, wo und unter welchen Umständen der erste Flottenträger der deutschen Marine fahren sollte. Einige Admirale hätten statt seiner jedenfalls lieber mehr U-Boote gebaut.

Sicher waren zunächst nur die technischen Daten des Schiffes, das am 18. Dezember 1938 bei den Deutschen Werken, Kiel, vom Stapel lief: 33 350 Tonnen Wasserverdrängung, 263 Meter Länge, 36 Meter Breite, vier Turbinen sollten für 200 000 PS und eine Geschwindigkeit von knapp 34 Knoten (rund 60 km/h) sorgen. Sie wurden allerdings nie eingebaut, der Träger mußte daher von der ersten bis zur letzten Stunde geschleppt werden.

16 überflüssige Seezielgeschütze vom Kaliber 15 cm für Seegefechte, denen sich ein höchst verwundbarer Flugzeugträger überhaupt nicht stellen darf, kosteten so viel Gewicht, daß nur 28 Mehrzweck-Stukas von Typ Ju 87 D und 14 Jäger Me 109 Platz gefunden hätten.

Am 8. Dezember 1938 hielt Hermann Göring, der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, an Stelle des zuständigen Marinechefs Erich Raeder die Taufrede. "Alles, was fliegt, gehört mir", hatte Göring gesagt - und so blieb es. Taufpatin war die Gräfin Hella von Brandenstein-Zeppelin, die Tochter des deutschen Luftschiffpioniers Ferdinand Graf von Zeppelin (1838-1917).

"Der erste deutsche Flugzeugträger soll auf Befehl des Führers ,Graf Zeppelin' heißen. Der Name birgt ein heiliges Vermächtnis: Fahre stets glücklich, stolzes Schiff, sei ein Hort kühnen Fliegergeistes und zäher Seemannsart und mehre Macht und Ansehen des Reiches!" rief Göring.

Es blieben hohle Worte: Die "Graf Zeppelin" erlebte mehrere Baustopps, wurde nie einsatzfähig, 1943 in einen Seitenarm der Oder bei Stettin geschleppt und im April 1945 vor der sowjetischen Armee auf Grund gesetzt. Sie hatte keinen einzigen Schuß abgefeuert, kein einziges Flugzeug war von ihrem Deck gestartet. 59 Jahre nach ihrem ruhmlosen Untergang macht sie als rostiges Wrack dennoch Geschichte.