Das beklagt jeder zweite Pädagoge in einer repräsentativen Umfrage. “Viele Kinder sind materialistisch“, Einfluss der Lehrer ist gering.

Hamburg/Berlin. 48 Prozent der Lehrer in Deutschland glauben, dass sie ihre Schüler nicht mehr erreichen und nur wenig oder gar keinen Einfluss auf sie haben. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Allensbach-Umfrage unter deutschen Pädagogen. Eine viel bedeutsamere Rolle als sie selbst spielen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer die Medien. 69 Prozent der Befragten sehen einen sehr großen Einfluss von Fernsehen und Internet auf ihre Schüler. Sehr wichtig seien zudem Freunde.

Die Umfrage zeigt darüber hinaus, wie kritisch die Pädagogen ihre Schüler sehen. Drei Viertel der Lehrer beklagen Konzentrationsschwächen sowie eine zu materialistische Einstellung ihrer Schüler. Viele Kinder seien ichbezogen und sehr orientiert an Äußerlichkeiten. Lediglich acht Prozent der Lehrer glauben, dass ihr Einfluss auf die Schüler groß sei.

Niedersachsens Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Bernd Althusmann (CDU), sagte dem Abendblatt, die Studie sei "ein sehr ernst zu nehmender Hinweis darauf, dass unsere Lehrkräfte mehr Zeit für das Eigentliche von Schule brauchen: für den Unterricht". Die Anforderungen an Lehrkräfte seien in den letzten Jahren immer größer geworden. Dennoch dürfe man nicht von einer "Kapitulationserklärung" der Lehrer sprechen. Der Pinneberger Bundestagsabgeordnete und SPD-Bildungsexperte Ernst-Dieter Rossmann sagte dem Abendblatt, die Ergebnisse seien "in der Tat eine erschreckende Selbsteinschätzung der Pädagogen und wahrscheinlich eine ziemlich realistische Beurteilung der Situation".

Dennoch zeigt die Umfrage auch eine grundsätzlich positive Haltung der Lehrer zu ihrem Beruf: Eine große Mehrheit von 76 Prozent würde sich wieder für eine Schul-Laufbahn entscheiden. Bei anderen Berufsgruppen liegt diese Zahl nach Angaben von Allensbach-Chefin Renate Köcher in der Regel bei nur 50 bis 60 Prozent.

Für die Studie im Auftrag der Vodafone-Stiftung wurden auch Eltern nach ihren Erwartungen befragt. Köcher sagte, in Deutschland werde der Schule neben der Bildung auch ein umfassender Erziehungsauftrag zugemessen. Die Eltern erwarteten vom Unterricht neben einer guten Vermittlung von Rechtschreibung und Grammatik (86 Prozent) und Allgemeinbildung (79 Prozent) auch die von Werten wie Pünktlichkeit und Hilfsbereitschaft (je 66 Prozent). Auch die meisten Lehrer teilen die Ansicht, dass die Vermittlung von Werten zu ihren Aufgaben gehört. Nur ein Drittel ist allerdings der Ansicht, dass ihnen dies im schulischen Alltag auch gelingt.

Eine klare Mehrheit der Lehrer fordert die Abschaffung des föderalen Bildungssystems. 61 Prozent sprechen sich in der Allensbach-Umfrage dafür aus, die Zuständigkeit für die Bildungspolitik von den Ländern auf den Bund zu übertragen. Zudem wollen fast drei Viertel der Lehrerinnen und Lehrer, dass es in Deutschland einheitliche Abschlussprüfungen an den Schulen gibt. "16 Länder mit über 80 Schulformen sind Wahnsinn und eine Qual für Lehrer, Eltern, Schüler", sagte SPD-Experte Rossmann. "Da müssen die Länder sich bewegen und ganz schnell zu gemeinsamen Lösungen kommen." Auch Althusmann forderte bundesweit vergleichbare Abschlüsse, "um auch das Abitur in den unterschiedlichen Bundesländern inhaltlich vergleichbarer zu machen als bisher".