Berlin. Bei der Suche nach den Ex-RAF-Terroristen Garweg und Staub ist eine weitere Wohnung in Berlin durchsucht worden. Keine Festnahmen.

Bei der Fahndung nach zwei ehemaligen RAF-Terroristen hat die Polizei eine weitere Wohnung in Berlin durchsucht. Die Maßnahme am Sonntagabend im Stadtteil Friedrichshain stehe in Verbindung mit der Suche nach Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, sagte eine Sprecherin des federführenden Landeskriminalamts Niedersachsen der Deutschen Presse-Agentur.

Ermittler vor dem Haus in Friedrichshain.
Ermittler vor dem Haus in Friedrichshain. © AFP | ODD ANDERSEN

Der Einsatz in der Grünberger Straße war am späten Abend noch nicht beendet. Allerdings wurden die Gesuchten in der Wohnung nicht vorgefunden. Es habe entsprechend auch keine Festnahmen gegeben, sagte ein Sprecher des LKA Niedersachsen. Die Maßnahmen seien beendet, jedoch dauere die Durchsuchung der Wohnung an.

Auf der Straße standen vermummte Zivilpolizisten. Auch ein gepanzertes Fahrzeug war zu sehen. Mehrere Dutzend Schaulustige versammelten sich auf der Straße, um die Vorgänge zu verfolgen, wie ein Reporter der Berliner Morgenpost beobachtete. Aus der Menge wurden die Parole „Freiheit für alle politischen Gefangenen gerufen“. Andere Herumstehende begrüßten die Polizei mit „Wo wart ihr in Hanau?“ – eine Anspielung auf den rechtsextremen Anschlag in der südhessischen Stadt am 19. Februar 2020.

Anwohner wollen Schüsse gehört haben

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Ein Anwohner, der nach eigenen Angaben eine Etage über der durchsuchten Wohnung lebt, berichtete der Morgenpost, dass die dort wohnende Frau immer einen normalen Eindruck machte. Auch ein Mitarbeiter eines angrenzenden Spätis berichtet von einer eher unauffälligen Person, die immer bei ihm Pepe-Tabak gekauft habe. „Natürlich weiß man nicht, an wen die ihre Wohnung vermietet haben könnte“, sagt der Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte. Gewerbetreibende vor Ort berichten von Schüssen. „Ich habe sechs Schüsse gehört“, sagt ein Späti-Mitarbeiter auf der Grünberger Straße. Ein Video, das von einem Nachbarn aufgenommen wurde, zeigt schwer bewaffnete Spezialkräfte bei der Razzia und einen Panzerwagen der Polizei.

Ein weiterer Nachbar ordnet die Frau, die in der durchsuchten Wohnung lebt, der linken Szene zu. „Die hat an der Tür Aufkleber wie ‚Fuck Nazis‘“, sagt der Mann, der unerkannt bleiben möchte. Er habe mitbekommen, wie die Polizei die Frau mehrmals aufgefordert hat, die Wohnung zu verlassen. Auch er bestätigt mehrere Schussgeräusche. „Das hat sich angehört wie Knallfrösche.“

Einsatzfahrzeuge blockieren die Straße, in der am Abend die Wohnung durchsucht wurde.
Einsatzfahrzeuge blockieren die Straße, in der am Abend die Wohnung durchsucht wurde. © DPA Images | Andreas Rabenstein

Razzia auf Bauwagengelände bereits am Morgen

Wenige Tage nach der Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette (65) waren in Berlin bereits am Morgen insgesamt zehn Personen auf einem links-alternativen Bauwagengelände im Stadtteil Friedrichshain vorläufig festgesetzt worden. Unter diesen befanden sich jedoch nicht die beiden Ex-RAF-Terroristen Staub (69) und Garweg (55).

Aber: Die Ermittler gehen davon aus, dass Garweg auf dem Gelände unter dem Decknamen „Martin“ gelebt hat. Ein Bauwagen wurde für weitere Untersuchungen sichergestellt.

Garweg soll in Bauwagen-Container gelebt haben

„Wir gehen davon aus, dass der Bauwagen-Container die Unterkunft von Burkhard Garweg gewesen ist“, sagte eine Sprecherin des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur.

Der Einsatz am Sonntagmorgen steht im Zusammenhang mit der Fahndung nach den beiden noch flüchtigen mutmaßlichen Räubern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg.
Der Einsatz am Sonntagmorgen steht im Zusammenhang mit der Fahndung nach den beiden noch flüchtigen mutmaßlichen Räubern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg. © DPA Images | Paul Zinken

Wie lange Garweg die Unterkunft genutzt haben könnte, sagte sie nicht. Der „Tagesspiegel“ zitierte einen LKA-Sprecher, es sei ein „aktuellerer Zeitraum“. Die Sprecherin sagte, der Bauwagen werde nun sorgfältig untersucht. Es sei unklar, wie lange das dauern werde.

Zunächst war am Morgen davon die Rede gewesen, dass zwei Männer in vorläufig festgenommen worden seien. Anders als ursprünglich angegeben, handelte es sich formal jedoch nicht um Festnahmen, wie ein anderer Sprecher des federführenden Landeskriminalamtes in Niedersachsen klarstellte. Die „freiheitsentziehenden Maßnahmen“ seien zur Identitätsfeststellung durchgeführt worden.

Polizei-Einsatz: Nach Festsetzungen niemand mehr in Gewahrsam

dpa-Reporter hatten am Sonntagmorgen von einem Spezialeinsatzkommando und einem gepanzerten Fahrzeug vor Ort berichtet. Auch ein Polizeihund sei eingesetzt worden.

Die Berliner Polizei, das LKA und das Bundeskriminalamt waren mehrere Stunden auf dem Gelände im Einsatz. Abschließend sollten nur noch einzelnen Spurensicherungen durchgeführt werden, sagte die LKA-Sprecherin.

Den LKA-Angaben zufolge waren bei den Durchsuchungen auch Schussgeräusche wahrnehmbar. „Diese stehen im Zusammenhang mit einer Türöffnung.“ Personen seien dabei nicht verletzt worden. Ob Schusswaffen oder anderes Material bisher gefunden wurden, konnte die Sprecherin nicht bestätigen. Insgesamt war die Polizei Berlin, das BKA und das LKA Niedersachsen mit etwa 130 Einsatzkräften im Einsatz. Dieser begann gegen 7.30 Uhr an einem Gewerbegebiet am Markgrafendamm/Ecke Persiusstraße.

Festnahmen bei Fahndung nach RAF-Terroristen: Was die Nachbarschaft sagt

Das durchsuchte Gelände ist in der Nachbarschaft nicht unbekannt. Eine Anwohnerin erzählt davon, dass dort viele Partys stattfinden. „Ich war das letzte Mal vor zehn Jahren dort“, sagt die Frau, die anonym bleiben möchte. „Das sind alles ganz anständige Leute, nett, freundlich und hilfsbereit.“ Es gebe unter anderem eine Fahrradreparatur.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot in Berlin-Friedrichshain im Einsatz.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot in Berlin-Friedrichshain im Einsatz. © Getty Images | Michele Tantussi

Eine andere ältere Dame, die ebenfalls ihren Namen nicht nennen möchte, ergänzt, dass die Menschen auf dem Gelände in der Nachbarschaft auch zum Essen einladen. Sie sitzt am Fenster und beobachtet das Geschehen seit heute Morgen. „Ich meine, drei Schüsse gehört zu haben“, so die Anwohnerin. „Da fühlt man sich schon mulmig.“ Die andere Frau wirft ein: „Früher gab es doch auch ständig Polizei hier und man hat sich nicht mulmig gefühlt“, sagt sie lachend.

Staub und Garweg gehörten wie die am Montag in Berlin festgenommene Daniela Klette der dritten Generation der früheren linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee-Fraktion an. In ihrer aktiven Zeit wurden der damalige Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991) ermordet sowie Herrhausens Fahrer schwer verletzt. Die RAF war über Jahrzehnte der Inbegriff von Terror und Mord im Westen des noch geteilten Deutschlands. 1998 erklärte sie sich für aufgelöst. Klette, Staub und Garweg werden darüber hinaus wegen einer Reihe späterer Geldtransport-Überfälle gesucht.

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Fahndung nach RAF-Terroristen: Polizei veröffentlichte Fotos

Am Sonnabend hatte die Polizei neue Fahndungsfotos veröffentlicht. Die Bilder zeigten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Garweg, teilte das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen am Sonnabend in Hannover mit. Die sehr klaren und privat wirkenden Bilder wurden demzufolge zwischen 2021 und 2024 aufgenommen. Auch die Berliner Polizei wies auf X auf den Fahndungsaufruf hin. Das aktuellste Foto zeigt dem LKA zufolge mutmaßlich Garweg zwischen zwei Hunden auf einem Sofa sitzend und essend.

Dieses vom Landeskriminalamt Niedersachsen veröffentlichte Bild soll den flüchtigen RAF-Terroristen Burkhard Garweg zeigen.
Dieses vom Landeskriminalamt Niedersachsen veröffentlichte Bild soll den flüchtigen RAF-Terroristen Burkhard Garweg zeigen. © AFP | HANDOUT

Die Polizei warnte davor, dass die flüchtigen Männer bewaffnet sein könnten. Daher rate das LKA dringend davon ab, die Gesuchten selbst anzusprechen. Schon am Freitag hatte das Bundeskriminalamt die Bevölkerung um Unterstützung bei der Suche nach den beiden Männern gebeten.

Die Ermittler gehen davon aus, dass sich auch die beiden gesuchten Männer in Berlin aufhalten könnten. Die mit sechs Haftbefehlen gesuchte Klette war in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg festgenommen worden und kam nach einer Identifizierung durch Fingerabdrücke in Untersuchungshaft. Die mittlerweile 65 Jahre alte Frau soll jahrelang unerkannt in Berlin gelebt haben.

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