Berlin. Bei Joe Biden häufen sich die Aussetzer. Donald Trump ist heute noch toxischer als früher. Gibt es in der US-Politik keine Alternative?

Wenn man sich das derzeit wahrscheinlichste Duell im US-Präsidentschaftswahlkampf anschaut, kann einem schon ein bisschen bange werden. Der 80-jährige demokratische Amtsinhaber Joe Biden ist zwar ein grundintegrer Staatsmann, der über immense politische Erfahrung verfügt. Aber die Ausfälle häufen sich. Mal stolpert er auf der Gangway zum Flieger, mal stürzt er über einen Sandsack auf der Bühne. Oder er verhaspelt sich und landet im rhetorischen Nirwana.

Der 77-jährige Republikaner Donald Trump wirkt zwar körperlich fitter. Doch seine Wut, sein Altersstarrsinn und sein Radikalismus sind heute ein noch toxischeres Gemisch als zu seiner Zeit im Weißen Haus. In Amerika, aber auch weltweit fragt man sich, ob es keine Alternativen zu Biden und Trump gibt.

In der Wirtschaft gibt es einen riesigen Talent-Pool – warum nicht in der Politik?

Die Vereinigten Staaten sind ein Labor für Innovation, Kreativität sowie die Kunst der personellen Neuerfindung wie kaum ein anderes Land – und sie bieten einen riesigen Talent-Pool. Die Erfolge der Tech-Giganten Google, Amazon, Facebook, Apple oder Microsoft zeugen davon. Warum funktioniert das nicht in der Politik?

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © FUNKE Foto Services | Reto Klar

In den USA war es lange Tradition, dass die Präsidentschaftskandidaten aus den Bundesstaaten kamen, wo sie als Gouverneure – vergleichbar mit den Ministerpräsidenten in Deutschland – Regierungspraxis sammeln konnten. In diese Riege gehörten Jimmy Carter, Ronald Reagan, Bill Clinton oder George W. Bush.

Idealerweise vereinigen die Anwärter auf das Weiße Haus Erfahrung, Reife und Dynamik. Alter ist per se kein Ausschlusskriterium – die Leistung muss stimmen. Gradmesser sind demokratische Wahlen: Der Präsident oder die Präsidentin sollte durch die Mehrheit der Bevölkerung legitimiert sein.

Reagan: „Ich werde die Jugend meines Gegners nicht für politische Zwecke ausbeuten“

Dabei kann auch in fortgeschritteneren Jahren der Sprung an die Spitze gelingen. Als der damals 73-jährige Republikaner Ronald Reagan 1984 im Wahlkampf gegen seinen 57-jährigen demokratischen Herausforderer Walter Mondale antrat, kokettierte er mit seinem Oldie-Status: „Ich will Alter nicht zu einem Thema dieser Kampagne machen. Ich werde die Jugend und Unerfahrenheit meines Gegners nicht für politische Zwecke ausbeuten“, kommentierte er augenzwinkernd.

Er gewann die Wahl und schied erst mit 78 Jahren aus dem Amt aus. Auch wenn Reagan zu Beginn seiner Regierungszeit oft belächelt wurde: Er sorgte für starkes Wirtschaftswachstum und besiegelte mit dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow wichtige Abrüstungsverträge.

Die politische Klasse der USA – ein Club der Gerontokraten

Dennoch ist die Ausgangslage heute etwas anders: Die Welt ist noch schnelllebiger, die Technik noch hochtouriger, die geopolitischen Konflikte sind noch komplexer – und gefährlicher. Sollte Biden noch einmal ins Weiße Haus einziehen, wäre er zum Ende seiner Amtszeit 85 Jahre. Trump käme auf 82 Jahre. Nach einer aktuellen Umfrage sind 77 Prozent der Amerikaner der Meinung, dass Biden für die Herausforderungen des Jobs zu alt sei. Bei Trump sind es mehr als die Hälfte.

Die politische Klasse der USA – so scheint es – hat sich zu einem Club der Gerontokraten entwickelt. Verschärft wird der Eindruck durch die Auftritte von Senatoren wie der Republikaner Mitch McConnell (81) oder die Demokratin Dianne Feinstein (90): Beide haben immer wieder Aussetzer vor den Mikrofonen.

Dies hat auch globale Auswirkungen. Amerika ist bis auf Weiteres die Führungsmacht des Westens. Wenn sich physische, mentale oder psychische Ausfälle an der politischen Spitze häufen, beeinträchtigt dies auch die Strahlkraft des Landes.

Hintergrund: US-Politik: Die 80+-Generation klammert sich an ihre Posten