Berlin. Ein Dresdner Gericht hat Lina E. zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. In mehreren Städten kam es daraufhin zu Gewalt.

  • Das Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. ist gefallen
  • Sie wurde vor der OLG Dresden zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt
  • Antreten muss sie die Strafe jedoch nicht
  • Bundesinnenministerin Nancy Faeser richtete sich mit einer klaren Botschaft an die AfD

Die als linke Gewalttäterin zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Lina E. kommt nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei.

Der Haftbefehl gegen sie werde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, sagte Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Dresden, am Mittwochabend zum Abschluss der Urteilsbegründung. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, falls das Urteil rechtskräftig wird.

Sie muss sich nun zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, darf den in der Akte vermerkten Wohnsitz nur mit Zustimmung des Gerichts wechseln und muss nach ihrem Reisepass auch den Personalausweis abgeben.

Teils gewaltsame Proteste in Leipzig

Nach der Verurteilung kam es in Leipzig und Bremen am Mittwochabend zu Protesten, die teils von gewaltsamen Ausschreitungen begleitet waren. Laut Polizeiangaben sollen Einsatzkräfte von Vermummten aus den Demos heraus mit Pyrotechnik beschossen worden sein. Auch Flaschen und Steine seien geflogen. In Bremen nahm die Polizei 70 Verdächtige fest.

In Leipzig versuchten Demonstranten demnach während einer Versammlung unter dem Motto "Freiheit für alle Antifaschist*innen" am Abend, Absperrungen zu durchbrechen. Später unterbanden Einsatzkräfte demnach unter anderem auch den Versuch, Barrikaden zu errichten.

In Bremen versammelten sich Protestierende laut Polizei unter dem Motto "Freiheit für alle inhaftierten Antifas" und riefen dabei unter anderem auch Parolen wie "Ganz Deutschland hasst die Polizei".

Auch in Berlin kam es zu Demonstrationen, in deren Verlauf es laut Polizei zu tätlichen Angriffen auf Ordnungshüter sowie vereinzelten Sachbeschädigungen kam. Weder in Leipzig noch in Berlin kam es aber zu Festnahmen.

An den Aktionen der linken Szene beteiligten sich den Angaben zufolge jeweils mehrere hundert Menschen. In Leipzig zählte die Polizei in der Spitze etwa 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, in Berlin bis zu 450 und in Bremen etwa 350.

Schweres Polizeigerät in Bremen. Dort kam es nach Ausschreitungen zu 70 Festnahmen.
Schweres Polizeigerät in Bremen. Dort kam es nach Ausschreitungen zu 70 Festnahmen. © Sina Schuldt/dpa

Lina E.: Unterstützer zeigten sich empört von hohem Strafmaß

Das Oberlandesgericht Dresden hatte die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. aus Kassel wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Für ihre drei Mitangeklagten verhängte die Staatsschutzkammer Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren fünf Monaten und drei Jahren und drei Monaten.

Unterstützer und Sympathisanten protestierten im Saal lautstark gegen das Urteil. Nach Verkündung des Strafmaßes unterbrach der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats die Verhandlung, weil Zuschauer "Faschofreunde" und "Scheiß Klassenjustiz" zur Richterbank skandierten.

Der Aktivist Axel Steier auf Twitter berichtete aus dem Gerichtssaal, mehrere Zuschauerinnen und Zuschauer hätten angesichts der "drastischen Strafen" geweint.

Die Angeklagte Lina E. steht beim Prozess im Oberlandesgericht Dresden im Verhandlungssaal.
Die Angeklagte Lina E. steht beim Prozess im Oberlandesgericht Dresden im Verhandlungssaal. © Sebastian Kahnert/dpa

Nach Überzeugung der Staatsschutzkammer sind die 28 Jahre alte Studentin und ein gleichaltriger Mitangeklagter der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig; ein 37-Jähriger und ein weiterer 28-Jähriger wegen deren Unterstützung. E. und zwei von ihnen wurden zudem der gefährlichen Körperverletzung beschuldigt, ein vierter Angeklagter der Beihilfe dazu.

Die Staatsschutzkammer blieb damit unter den Strafanträgen der Bundesanwaltschaft, die acht Jahre Freiheitsstrafe für E. sowie zwischen zwei Jahren neun Monaten und drei Jahren neun Monaten für die drei Männer gefordert hatte.

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Urteil gegen Lina E.: Kronzeuge belastete die junge Frau schwer

Die Vorwürfe gegen Lina E. und die anderen Beschuldigten wogen schwer. Der Generalbundesanwalt warf ihnen vor, zwischen 2018 und 2020 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben. E. gilt bei der Anklagevertretung als Kopf der Gruppe.In mindestens zwei Fällen soll sie das Kommando geführt haben.

Ein Kronzeuge aus der rechten Szene hatte die Beschuldigten belastet. Laut Anklage wurden 13 Menschen verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich. Die Beschuldigten hätten den demokratischen Rechtsstaat ebenso abgelehnt wie das staatliche Gewaltmonopol, lautete eine weitere Anschuldigung.

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Der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen laufende Prozess hatte im September 2021 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt saß Lina E. schon zehn Monate in Untersuchungshaft, während die Männer auf freiem Fuß blieben. Bis auf Angaben zur Person schwiegen die Beschuldigten zu den Vorwürfen.

Nur Lina E. ergriff beim "letzten Wort" die Chance und bedankte sich bei ihren Eltern, Angehörigen, allen Unterstützern und Verteidigern. Zu diesem Zeitpunkt war ihr das mögliche Strafmaß schon bekannt.

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Lina E.: Scharfe Kritik in den sozialen Medien am Urteil

Außerhalb des Gerichtssaals, in den sozialen Medien, war die Kritik nach der Verkündung des Urteils groß. Die Autorin und Antirassismus-Aktivistin Jasmina Kuhnke schrieb auf Twitter, es habe sich um ein Verfahren gehandelt, das auf "Indizien u haltlosen Aussagen von Rechtsextremisten" basiert habe. An Lina E. solle ein Exempel statuiert werden, kritisierte Kuhnke – und verwies auf knapp 600 Rechtsextremisten, die derzeit mit Haftbefehl gesucht werden.

Die Anwältin und Dozentin für Familienrecht, Asha Heyadati, zitierte die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano: "Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen."

Innenministerin Faeser warnt vor Verharmlosung des Rechtsextremismus

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sich gegen den Vorwurf gewandt, die Bedrohung durch Linksextremisten in Deutschland zu unterschätzen. „Wir gehen mit voller Härte gegen alle Extremisten vor, die unsere Demokratie verachten und Menschen in unserem Land attackieren“, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion. „Unterschiedliche Bedrohungen verlangen unterschiedliche Antworten und Instrumente.“ Mörderischer rechtsextremer Terror wie durch den „NSU“ sei lange mit Verweis auf die ebenso bestehende linksextremistische Gewalt verkannt und verharmlost worden.

Vom Rechtsextremismus gehe nach wie vor die größte extremistische Gefahr aus, betonte Faeser. „Besondere Sorge macht mir, dass Angriffe auf Geflüchtete stark zugenommen haben. Es ist in höchstem Maße menschenverachtend, Menschen zu attackieren, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror gefunden haben.“ Dafür trage die AfD mit ihrer Hetze eine politische Mitverantwortung. „Gefährlich sind nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch geistige Brandstifter, die den Boden für Gewalt bereiten.“

Im Bereich des Linksextremismus gebe es eine zunehmende Radikalisierung und eine steigende Gewaltbereitschaft von abgeschotteten Gruppen. „Dort sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner brutal anzugreifen“, sagte Faeser. Diese Gewaltspirale dürfe sich nicht weiterdrehen. „Unsere Sicherheitsbehörden haben die gewaltbereite linksextremistische Szene daher sehr genau im Blick und werden weiter konsequent handeln.“ (fmg/mit Material von dpa)