Washington. Seit Monaten lähmt der Streit um die Schuldenobergrenze die USA. Nun zeichnet sich eine Lösung ab. Doch es gibt skeptische Stimmen.

Der erste Schritt zur Vermeidung eines Staatsbankrotts in den USA ist in letzter Minute getan. Aber: Ob die von den Verhandlungs-Teams von Präsident Joe Biden und Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses, erzielte Grundsatzeinigung zur Anhebung der Schuldenobergrenze bis 2025 auch parlamentarische Rückendeckung erfährt, wird sich erst in einigen Tagen zeigen.

Wie groß der Unsicherheitsfaktor ist, zeigte ein 60-Sekunden-Auftritt von McCarthy am Samstagabend, der zuvor 90 Minuten mit Biden am Telefon verhandelt hatte. Der führende Republikaner in der ersten Kammer des US-Parlaments nannte keinerlei Details über die nach zähen Verhandlungen erzielte Verständigung. Sie soll dafür sorgen, dass die Vereinigten Staaten über das bereits im Januar ausgeschöpfte Volumen von 31,4 Billionen Dollar hinaus neue Schulden aufnehmen können, um alte Rechnungen zu begleichen.

Kevin McCarthy.
Kevin McCarthy. © Patrick Semansky/AP

Erst müsse der Text für das umfangreiche Gesetz gegengelesen und in trockenen Tüchern sein und die Mitglieder der republikanischen Fraktion gebrieft werden, sagte McCarthy. Frühestens Sonntagabend (Ortszeit Ostküste) könne er mehr sagen. McCarthy deutete an, dass es weder Steuererhöhungen noch neue Ausgaben-Programme des Staates geben wird, stattdessen “historische Einsparungen”. Das Weiße Haus hielt sich ebenfalls bedeckt.

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USA: Schuldenstreit abgewendet – Torpedieren extreme Abgeordneten den Kompromiss?

Dahinter steht die bei Republikanern wie Demokraten verbreitete Sorge, dass extreme Abgeordnete und Senatoren bei engen Mehrheitsverhältnissen den Kompromiss torpedieren könnten. Was laut Finanzministerin Janet Yellen zur Folge hätte, dass die USA am 5. Juni zum ersten Mal in ihrer Geschichte zahlungsunfähig würden.

Je nach Dauer dieses Zustands könne sich daraus eine schwere globale Finanzkrise (wg. Leitwährung Dollar) und über die USA hinaus ein massiver wirtschaftlicher Abschwung entwickeln.

Im Repräsentantenhaus, wo die Republikaner eine knappe 222 zu 213-Stimmen-Mehrheit besitzen, tun sich seit Wochen rund 30 rechtskonservative Parlamentarier mit Maximalforderungen gegen Sozialleistungen und Investitionen in grüne Energien hervor, die Präsident Biden als prinzipiell unannehmbar bezeichnet hat. Besagte Abgeordnete hatten McCarthys Wahl zum “speaker” im Januar erst nach 15 Wahlgängen abgesegnet; er steht in ihrer Schuld.

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USA: Experten zeigen sich skeptisch, dass der Deal hält

US-Präsident Joe Biden.
US-Präsident Joe Biden. © Mandel Ngan/AFP

Im Senat, wo die Demokraten hauchdünn mit 51:49-Stimmen den Ton angeben, gibt es ebenfalls Extremisten, die entweder radikal sparen oder staatliche Programme noch ausweiten wollen. So hat etwa der republikanische Vertreter aus Utah, Mike Lee, bereits angedroht, jeden Kompromiss durch prozedurale Schritte zu behindern, der keine substanziellen Etat-Kürzungen beeinhaltet.

Progressive Demokraten warnen Biden dagegen vor zu starken Konzessionen gegenüber der republikanischen Seite. Im Senat sind 60 Stimmen nötig, um den Kompromiss im Schuldenstreit wirksam werden zu lassen.

Wie das Stimmungsbild im Parlament tatsächlich ist, wird sich frühestens nach Pfingsten zeigen, wenn alle Fakten auf dem Tisch sind. Eine erste Abstimmung ist für kommenden Mittwoch im Repräsentantenhaus geplant. Bis Biden das Gesetz wie vorgeschrieben unterzeichnen kann, “könnte es Freitag werden”, sagten Haushaltspolitiker in Washington.

US-Kommentatoren zeigten sich in ersten Einschätzungen skeptisch, ob die Kompromisslösung geräuschlos durchgehen wird. Der Grund: Abgesehen vom Militär-Etat und den Ausgaben für Veteranen soll in allen anderen Haushaltsbereichen in diesem und im nächsten Jahr lediglich mit dem status quo gewirtschaftet werden; echte Kürzungen wären das nicht. “Damit wird sich der radikale Freedom Caucus der Republikaner nicht zufriedengeben.” Noch sei die Gefahr des von Finanzministerin Yellen bis zum 5. Juni prognostizierten Staatsbankrotts darum nicht wirklich gebannt.

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