Berlin/Frankfurt am Main. Nach einem neuen Rassismus-Eklat zieht Boris Palmer Konsequenzen. Er will eine Auszeit nehmen – und trat umgehend bei den Grünen aus.

  • Palmer benutzte das N-Wort, dann verglich er Kritik an ihm mit dem Holocaust
  • Der Tübinger Oberbürgermeister hat wieder mal für einen Eklat gesorgt
  • Nun zieht der Politiker Konsequenzen: Er kündigte eine Auszeit an und trat bei den Grünen aus

Das war offenbar ein Eklat zu viel: Boris Palmer, umstrittener Oberbürgermeister von Tübingen, will sich nach der massiven Kritik an seinen wiederholt rassistischen Äußerung zurückziehen, "eine Auszeit nehmen" und professionelle Hilfe suchen. Das teilte er am Montagabend in einer Erklärung mit. Ihm sei klar, dass es so nicht weiter gehe, schrieb Palmer darin. Er könne seiner Familie, seinen Freunden und Unterstützern, der Tübinger Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und der Stadtgesellschaft die wiederkehrenden Stürme der Empörung nicht mehr zumuten.

Und damit nicht genug: Der Politiker, der seit Jahren bei den Grünen aneckt und dem bereits ein Ausschlussverfahren drohte, trat nun außerdem selbst aus der Partei aus. Das teilte die Landespartei am Montag in Stuttgart mit. Der Austritt gelte unmittelbar. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur bestätigte Palmer sein Ausscheiden.

Rassistische Äußerungen von Palmer sorgen für Aufregung

Palmer hatte am Freitag mit einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Gruppe vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main für Aufsehen gesorgt. In sozialen Medien kursieren mehrere Videos von dem Politiker, der in einem Vortrag seine Verwendung des N-Wortes rechtfertigt und damit die Studierenden aufbringt. Gefallen sind die Äußerungen auf der Konferenz "Migration steuern, Pluralität gestalten. Herausforderungen und Konzepte von Einwanderungspolitiken" an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Mit dem sogenannten N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.

Als er mit "Nazis raus"-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: "Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach." Dass Palmer verbale Angriffe gegen sich selbst mit der Judenverfolgung im Dritten Reich verglich, sorgte zusätzlich für scharfe Kritik.

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Rechtsanwalt von Boris Palmer distanziert sich

Nach seinen Äußerungen in Frankfurt war es innerhalb von wenigen Tagen sehr einsam um den Tübinger Oberbürgermeister geworden. Auch Palmers Rechtsanwalt, der Grünen-Politiker Rezzo Schlauch, wendete sich von dem Tübinger Oberbürgermeister ab. Auf seiner Internetseite erklärte Schlauch: "Unmittelbar nach Kenntnis über den von Boris Palmer in Frankfurt zu verantwortenden Eklat habe ich ihm meine persönliche und meine politische Loyalität und Unterstützung sowie meine juristische Vertretung aufgekündigt." Auch "Beschimpfungen und Beleidigungen von linksradikalen Provokateuren" rechtfertigten nicht, Parallelen zur Judenverfolgung zu ziehen.

Palmer selbst erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Bezug auf seine Äußerungen: "Ich habe die Methode der Protestierer, mir den Stempel als Nazi und Rassist aufzudrücken, niederzuschreien und auszugrenzen, als Vergleich herangezogen." Er habe den Protestierenden erklärt, dass Nazis die Gräber seiner Vorfahren mit Hakenkreuzen beschmiert hätten und ihnen entgegnet, dass "ihre Methode der Ächtungen und Ausgrenzung sich nicht vom Judenstern unterscheidet".

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Boris Palmer: Rechtfertigung der kontroversen Aussagen

Auch auf Facebook hatte Palmer seine umstrittenen Aussagen zunächst gerechtfertigt: "Die Theorie, das schon ein Sprechakt an sich rassistische Strukturen reproduziere, teile ich nicht." Er sage das N-Wort, weil er Sprachvorschriften nicht akzeptiere.

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"Das hoch umstrittene Wort" gehöre jedoch nicht zu seinem aktiven Wortschatz, schreibt er weiter. "Ich benutze es nur, wenn darüber diskutiert wird, ob man schon ein Rassist ist, wenn man es verwendet. Darüber entscheidet für mich der Kontext."

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Uni-Präsident erwartet Entschuldigung von Palmer

Der Präsident der Frankfurter Uni, Enrico Schleiff, verurteilte Palmers Holocaust-Vergleich und die Verwendung des rassistischen Begriffes aufs Schärfste. "Jede explizite oder implizite den Holocaust relativierende Aussage ist vollkommen inakzeptabel und wird an und von der Goethe-Universität nicht toleriert – dies gilt gleichermaßen für die Verwendung rassistischer Begriffe", hieß es in einer Stellungnahme am Samstag.

Schleiff erwarte eine "nicht nur eine öffentliche Entschuldigung von Herrn Palmer an die von seiner Beleidigung betroffenen Personen, sondern auch an die jüdische Gemeinschaft und gegenüber der Goethe-Universität."

Boris Palmer: Immer wieder Kritik für kontroverse Aussagen

Es ist nicht das erste Mal, das der Oberbürgermeister mit seinen Aussagen in der Kritik steht. Bereits in der Vergangenheit hatte Palmer mit seiner Verwendung des "N-Wortes" für Aufregung gesorgt. Im Mai 2021 verwendete er es in einem Facebook-Beitrag über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, der einen nigerianischen Vater hat.

Dafür wurde er damals auch von seiner damaligen grünen Parteikollegen heftig kritisiert. Auch seine pointierten Äußerungen zur Flüchtlingspolitik sorgten immer wieder für Kontoversen und Rassismusvorwürfe.

Vor einem Jahr endete ein Parteiausschlussverfahren mit dem Kompromiss, dass Palmer seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende dieses Jahres ruhen ließ. Im vergangenen Oktober war er in Tübingen dann als unabhängiger Kandidat angetreten und war im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit – unter anderem gegen die Kandidatin der Grünen - für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden. Er ist seit 2007 Oberbürgermeister der der schwäbischen Universitätsstadt.

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(mit Agenturmaterial)