Washington. Joe Biden, Amerikas ältester Präsident, will 2024 wieder kandidieren. Warum das nicht falsch ist – auch wenn das viele Kritiker sagen.

Die Frage, die Amerikas nächste Präsidentschaftswahl wahrscheinlich entscheiden wird, ist nicht die nach dem erfolgversprechendsten, für viele gesellschaftlichen Schichten attraktiven politischen Zukunftsentwurf, um den die Welt die USA beneiden würden.

Sondern was stärker ist: die Angst vor einem sektiererischen und polarisierenden Konservatismus, wie ihn Donald Trump despotischer als bei seinem ersten Gastspiel im Weißen Haus exekutieren würde. Oder das permanente Unbehagen über den rapide voranschreitenden Alterungsprozess Joe Bidens, der 86 Jahre wäre, würde er das Ende einer zweiten Amtszeit erleben.

Joe Biden: Viele finden ihn zu alt – dabei wirkt er fitter als je zuvor

Biden beginnt den am Dienstag offiziell gewordenen Anlauf für eine erneute Kandidatur für das höchste Staatsamt in einem paradoxem Umfeld. Er wirkt abseits regelmäßiger altersadäquater Aussetzer agil und fit wie lange nicht. Und seine unbestreitbaren politischen Errungenschaften stehen im Kontrast zu einem gelangweilten, latent missmutigem Publikum.

Dirk Hautkapp, US-Korrespondent
Dirk Hautkapp, US-Korrespondent © Privat | Hamburger

65 Prozent der demokratischen Wähler finden ihn zu alt. Dagegen können sich bei den Republikanern über 70 Prozent eine zweite Fahrt mit der Trumpschen Geisterbahn durchaus vorstellen. Dabei ist der Mann gerade mal vier Jahre jünger. Und redet nicht selten hanebüchenen Unsinn.

Das Jonglieren mit den Umfragewerten ist jedoch von begrenztem Wert. Wenn am Ende die Frage übrig bleibt, wer das weitaus größere Übel verhindern kann, wird eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler aller Wahrscheinlichkeit wieder bei Biden das Kreuz machen.

Dabei ist der Verweis auf den Brückenbauer hin zu jüngeren demokratischen Kräften, der Biden vor vier Jahren sein wollte, berechtigt. Aber das Gegenteil von Realpolitik – es gibt keine ebenbürtige Alternative bei den Demokraten.

Trumps Rückkehr würde das Land auseinanderreißen

Im Winter 2020 herrschte noch die Idee vor, dass Amerika ein für allemal von dem Hütchenspieler aus Queens und dem Dauer-Drama, das ihn umgibt, die Nase voll hat. Nur wenige mochten sich vorstellen, dass ein spätestens nach dem Sturm aufs Kapitol und all den anderen umstürzlerischen Sauereien mit Fug und Recht kriminell zu nennender Narzisst, weiter Rückhalt bei Millionen republikanischer Wähler genießen würde. Obwohl er politisch-konzeptionell nichts zu bieten hat.

Dass Donald Trump heute unangefochten mit weitem Abstand das Ranking potenzieller GOP-Kandidaten anführt, ist ein alarmierender pathologischer Befund über den Zustand im Amerika rechts der Mitte. Seine Rückkehr an die Schalthebel der Macht würde das Land auseinanderreißen. Sie muss darum, auch im Interesse der restlichen Welt, verhindert werden. Biden kann dieser Schutzwall sein. Noch ein letztes Mal.

Joe Biden: Darum könnte er bei der Wahl 2024 siegen

Die Demokraten, das ist ihr schweres Verschulden, haben in der Zeit nach Barack Obama kein ausreichendes Reservoir von Führungsfiguren aufgebaut. Niemand dort außer Biden verkörpert heute die, zugegeben nachlassende, Bindekraft über alle demographischen Schichten hinweg, um 2024 erneut einen Wahlsieg zu landen.

Wäre es anders, wäre Biden so grottenschlecht und abgehalftert, wie ihn ein Teil der Medien und der politische Gegner wahrheitswidrig charakterisiert, hätten die Sanders, Harris, Buttigiegs, Klobuchars dieser Welt bereits den Stab über ihn gebrochen und sich in Stellung gebracht. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Partei hat ihr Schicksal in die Hände eines 80-Jährigen gelegt, dem eine gute Gesundheit zu wünschen ist. Denn ob seine designierte Nachfolgerin, Vize-Präsidentin Kamala Harris, im Ernstfall das Ruder geräuschlos übernehmen könnte, muss im Moment noch mit einem Fragezeichen versehen werden.