Paris/Berlin. Frankreichs Präsident wurde wiedergewählt. Aber der Anteil der Unzufriedenen wird immer größer. Eine Sache gibt Anlass zu Optimismus.

Der Sieg von Emmanuel Macron ist ein Hoffnungsschimmer in einer nicht sehr hoffnungsvollen Zeit. Zwischen Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, Inflationssorgen und Konjunktur-Delle bedeutet die Wiederwahl des französischen Präsidenten mehrerlei:

Das Nachbarland gerät nicht in eine rechtsextreme Abdrift, bei der die Europäische Union mit einem „Frexit“-Knall in die Luft fliegen könnte. Die Bundesregierung hat in Paris weiter einen verlässlichen Partner. Die EU, die angesichts von Wladimir Putins imperialer Aggression zu neuer Einigkeit gefunden hat, kann noch mehr Kraft aufbauen. Der Westen steht geschlossen – die Stoßseufzer der Erleichterung zwischen Washington, London und Berlin waren omnipräsent. Und schließlich: Putins Kalkül, der die Nähe zur Rechtspopulistin Marine Le Pen gesucht hat, um Europa zu spalten, ging nicht auf. Lesen Sie hier den Kommentar: Warum der Sieg Emmanuel Macrons für Deutschland so wichtig ist

Frankreich-Wahl: Macron hat gewonnen – aber darin liegt auch ein Warnschuss

Aber Macrons Wahl ist auch ein Warnschuss. 41,5 Prozent der Französinnen und Franzosen haben im zweiten Durchgang für Le Pen votiert. 28,2 Prozent haben sich der Wahl enthalten – nur 1969 lag der Prozentsatz der Wahlverweigerer mit 31,15 Prozent noch höher. Es gibt also einen ziemlich großen Bodensatz der Unzufriedenen, die sich nicht von Macron vertreten fühlen. Mehr zum Thema: Exklusiv-Interview Macron warnt vor Nuklearwaffen im Ukraine-Krieg

Emmanuel Macron und seine Ehefrau Brigitte bei der Stimmabgabe
Emmanuel Macron und seine Ehefrau Brigitte bei der Stimmabgabe © dpa

Hinzu kommt, dass ein beträchtlicher Teil der Anhänger anderer Parteien für Emmanuel Macron gestimmt hat, um Le Pen zu verhindern. Nicht aus Überzeugung für den Präsidenten. Die republikanische Brandmauer gegen Rechtsaußen hat also gehalten – aber sie wird schwächer. Haben 2002 noch 82,21 Prozent gegen Jean-Marie Le Pen und für Jacques Chirac gestimmt, waren es vor fünf Jahren 66,1 Prozent gegen Marine Le Pen und für Macron. Am Sonntag lag die Brandmauer gegen Le Pen nur noch bei 58,5 Prozent.

Frankreich: Anteil der Rechtspopulisten steigt seit Jahren

Der Anteil der Rechtspopulisten hat im Laufe der Jahre kontinuierlich zugenommen. Das ist besorgniserregend. Regieren wird in Frankreich zunehmend schwieriger. Das Land ist in drei Blöcke gespalten: die Rechtspopulisten um Le Pen, die Linkspopulisten um Jean-Luc Mélenchon und das politische Zentrum um Macron. Bei den Parlamentswahlen im Juni werden die Parteien der unterlegenen Kandidaten versuchen, die Scharte auszuwetzen. Macrons La République en Marche hat einen schweren Stand.

Emmanuel Macron bei der Stimmabgabe in Le Touquet
Emmanuel Macron bei der Stimmabgabe in Le Touquet © dpa

Der wiedergewählte Staatschef weiß, dass eine zweite Amtszeit alles andere als ein Selbstläufer ist. Macron wird versuchen, Le Pens Parade-Argument eines Ausgleichs für die rasant gestiegenen Energiepreise aufzunehmen. Für den Sommer hat er ein „außergewöhnliches Gesetz für die Kaufkraft“ angekündigt. Die Renten sollen an einen Inflationsindex von rund vier Prozent gekoppelt und die Belastungen für Freiberufler gesenkt werden.

Darüber hinaus will der neue Präsident Unternehmen mit guter Bilanzentwicklung zwingen, eine „Dividende für Angestellte“ auszuzahlen. Er plant entweder eine „Gewinnbeteiligung“ oder einen „Kaufkraftzuschlag“. Darüber hinaus sollen die Gehälter der Beamten und Lehrer erhöht werden. Die soziale Balance – so scheint es – wird zu einem neuen Schwerpunkt Macrons. Er hat dazugelernt. Das wiederum gibt Hoffnung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.