Berlin. Bei der Integration von Flüchtlingen hat Deutschland nach 2015 dazugelernt, meint Alessandro Peduto. Die Schwachstellen sind bekannt.

Wer in diesen Tagen in den Nachrichten die furchtbaren Bilder vom Angriff Russlands auf die Ukraine verfolgt, fühlt sich in vielem an das Jahr 2015 und den syrischen Bürgerkrieg erinnert: zerbombte Wohnhäuser, verzweifelte Familien in Todesangst, Kampf ums blanke Überleben.

Zu Hunderttausenden verlassen die Menschen derzeit die Ukraine, um sich und ihre Kinder im Ausland in Sicherheit zu bringen. Mehr als 1,5 Millionen – meist Frauen, Kinder sowie ältere Menschen – haben das Land laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk verlassen, seit Russlands Präsident Wladimir Putin vor anderthalb Wochen mitten in Europa einen Krieg begonnen hat.

Alessandro Peduto, Politik-Korrespondent
Alessandro Peduto, Politik-Korrespondent © FMG | FMG

Ukraine-Konflikt: Fast 10.000 Flüchtlinge an nur einem Tag

Seither suchen viele Schutz für sich und ihre Familien – meist in den direkten Nachbarländern, mehr und mehr aber auch in Deutschland. Fast 10.000 wurden zuletzt an nur einem Tag neu registriert. Damit sind hierzulande fast 38.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge offiziell gemeldet. Da keine Grenzkontrollen stattfinden, dürfte die tatsächliche Zahl höher liegen. Viele Ukrainer reisen ein und kommen bei Angehörigen oder Freunden unter.

Wie im Jahr 2015 gibt es nun auch wieder eine beeindruckende Welle der Hilfsbereitschaft. Freiwillige packen mit an bei der Verteilung von Lebensmitteln und bieten ihre Wohnungen als Unterkunft an. Schon jetzt ist klar: Deutschland wird in den nächsten Wochen und Monaten erneut eine schnell anwachsende Zahl von Flüchtlingen versorgen müssen.

Flucht aus der Ukraine: Polen trägt derzeit die Hauptlast

Und sollte der Krieg in der Ukraine länger anhalten, werden die Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren können und auf längere Zeit in Deutschland bleiben. Aus einem kurzen Notaufenthalt könnte ein Daueraufenthalt werden.

Das stellt Deutschland vor bekannte Herausforderungen. Befürchtungen, es könnte erneut Chaos wie im Jahr 2015 ausbrechen, sind naheliegend. Und doch ist diesmal einiges anders.

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2015 kamen in sehr kurzer Zeit fast eine Million Menschen zu uns. Und eben vor allem zu uns. Viele Osteuropäer wie Polen und Ungarn verweigerten damals die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien. Jetzt haben diese Länder ihre Türen für Ukrainer weit geöffnet. Polen trägt derzeit sogar die Hauptlast. Bis Sonntag sind dort rund 923.000 Menschen aus der Ukraine eingetroffen. Das sind fast 25 Mal mehr als bei uns.

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Zügige Hilfe und eine Arbeitserlaubnis für Menschen aus der Ukraine

Einige von ihnen dürften zwar Richtung Westen weiterreisen. Doch für ein Land wie Deutschland dürfte die Lage dennoch beherrschbar bleiben. Oder um es mit dem berühmten Satz von Ex-Kanzlerin Merkel zu sagen: Wir schaffen das!

Die deutsche Politik weiß seit der Asylkrise 2015, wo es hakt. Monatelange, chaotische Anerkennungsverfahren für Flüchtlinge etwa soll es nicht mehr geben. Geplant ist vielmehr, dass die Menschen zügig Hilfe und eine Arbeitserlaubnis erhalten.

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Flüchtlinge aus der Ukraine: Kulturelle Integration dürfte diesmal einfacher sein

Auch bei der Organisation von Unterbringung und Versorgung der Menschen haben Kommunen und Landkreise Routine entwickelt. Viele Abläufe sind erprobt. Dass nun alles läuft wie am Schnürchen, ist keineswegs garantiert. Aber anders als damals sind diesmal die Schwachstellen im System bekannt.

Auch die kulturelle Integration der Menschen dürfte diesmal einfacher sein. Die Ukraine ist ein europäisch geprägtes Land. Das wird es vielen Geflüchteten leichter machen, sich bei uns zurechtzufinden. Gewiss, es wird Zeit brauchen. Viele Mütter und ihre Kinder sind traumatisiert und in Sorge um die Väter, die noch im Krieg sind.

Doch wenn wir es so organisieren, dass die Flüchtlinge schnell Tritt fassen, auch auf dem Arbeitsmarkt, können wir ihnen damit helfen. Und vielleicht ergeben sich auch für uns neue Chancen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt