Berlin . Die Deutsche Maren Z. lebt mit ihrem Freund in Kiew. Am Telefon berichtet sie, wie sie den russischen Angriff auf die Ukraine erlebte.

Maren Z. sitzt auf dem Boden des Badezimmers in ihrer Wohnung in Kiew. Das sei der sicherste Raum in der Wohnung, hatte ihr Freund ihr gesagt. Es ist Vormittag, 10.30 Uhr Ortszeit in Kiew, als unsere Redaktion sie per Video-Anruf erreicht. "Ich bin heute Morgen kurz vor dem Wecker-Klingeln aufgewacht und habe auf meinem Handy Nachrichten meiner Freunde gesehen, dass es Bombenexplosionen gab", erzählt die 29-jährige Deutsche und wirkt dabei noch relativ entspannt.

Seit anderthalb Jahren lebt Maren gemeinsam mit ihrem Freund, ebenfalls Deutscher, in Kiew, sie wollten neue Erfahrungen machen. Erst Anfang des Monats sind die beiden in eine neue Wohnung im Stadtzentrum gezogen, bis mindestens Ende des Jahres wollten sie in der Ukraine bleiben.

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Situation in Kiew am Morgen relativ ruhig

"Heute Morgen hatte ich schon etwas Panik und wusste nicht, was wir machen sollen", erzählt die gebürtige Stuttgarterin. Sie hätten allerdings nur die Warnsirenen gehört, ansonsten sei in ihrem Stadtteil alles ruhig geblieben. "Wir haben uns dann das Nötigste geschnappt und sind runter zu den Nachbarn gegangen", sagt Maren. Im Keller ihres Hauses befinde sich ein Bunker, in den sie im Notfall fliehen können, berichtet sie weiter. Am Vormittag kehren die beiden aber erst einmal wieder in der Wohnung zurück.

Auch auf den Straßen Kiews sei zu Tagesbeginn alles weitgehend normal gewesen. "Als ich runtergekommen bin, meinte ein Nachbar zu uns, dass er jetzt zur Arbeit geht", erzählt sie. Ein amerikanischer Freund hätte gefragt, ob sie sich trotzdem wie verabredet am Abend treffen wollen würden. Aber nicht alle würden so ruhig bleiben, andere Freunde hätten ihr empfohlen, Walkie-Talkies zu kaufen und in den Bunker zu gehen.

Deutsche in Kiew hoffen auf Evakuierung

Auch ihre Familien in Deutschland seien besorgt, erzählt Maren: "Ich wusste ganz genau, dass meine Eltern sagen werden: Wärt ihr doch früher gegangen, wir haben es euch doch gesagt." Mittlerweile denke sie das natürlich auch, aber das können man jetzt natürlich nicht mehr ändern. "Bis heute Morgen haben wir nicht daran geglaubt und wir können es auch immer noch nicht richtig glauben", sagt sie.

Eigentlich wollte sie mit ihrem Freund am Samstag aus der Ukraine ausreisen, erstmal Richtung Ungarn, für ein paar Tage, bis sich die Situation beruhigt hat. Jetzt hoffen sie, dass doch noch Evakuierungsflüge der Bundesregierung stattfinden. Mit dem Auto aus der Stadt zu kommen sei kaum möglich, erzählt sie, ein anderer Freund hätte es versucht, sei aber nicht weit gekommen. "Die Botschaft sagt, wir sollen uns erstmal in Sicherheit bringen und nicht irgendwie versuchen, die Stadt oder das Land zu verlassen", sagt Maren.

Hohe dreistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger in Ukraine

Nach Angaben des Auswärtigen Amts befindet sich derzeit noch eine hohe dreistellige Zahl deutscher Staatangehöriger in der Ukraine, die sich offiziell in die Krisenvorsorgeliste eingetragen hätten. Eine Sprecherin teilte jedoch mit, man gehe gleichzeitig von einer hohen Dunkelziffer aus. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machte am Vormittag in ihrer Ansprache keine Hoffnungen auf Evakuierungen: „Organisierte Transporte sind derzeit nicht möglich, unsere Auslandsvertretungen in Polen, der Slowakei, Ungarn und Moldau stehen bereit, um ab der Grenze Unterstützung zu leisten.“

Paar versucht Ausreise auf eigene Faust

"Gerade fühlen wir uns zuhause am sichersten“, sagt Maren. Doch die Alarmbereitschaft bleibt. „Die Situation kann sich natürlich schnell ändern", fügt sie hinzu. Am Vormittag hätten sie plötzlich ein Flugzeug gehört. „"Dann denkt man halt gleich: Okay jetzt geht’s los", so die 29-Jährige.

Einen großflächigen Angriff auch auf die Zivilbevölkerung in Kiew hält sie derzeit nicht für wahrscheinlich, trotzdem ist das Kapitel Ukraine für Maren und ihren Freund jetzt erst einmal vorbei. "Ziel ist jetzt einfach so schnell wie möglich das Land zu verlassen", sagt sie. Sollte es keine Evakuierungen geben, wollen sie versuchen, doch auf eigene Faust aus dem Land zu kommen.

Am Abend meldet sich Maren erneut. Die Situation in der ukrainischen Hauptstadt habe ich weiter zugespitzt, erzählt sie. Deshalb hätte das deutsche Paar entschieden, das Land eigenständig zu verlassen. „Wir sind schnell zum Bahnhof gefahren und haben einfach irgendeinen Zug genommen“, erzählt sie. Eigentlich seien keine Tickets mehr verkauft worden, sagt Maren, „wir haben uns dann aber direkt ans Gleis gestellt und gebettelt und dann haben sie uns mitgenommen“. Sie hoffen in 12 Stunden an der ungarischen Grenze anzukommen und dann ausreisen zu können.

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