Berlin. Lange Zeit stellten sich die Betreiber von Telegram taub. Jetzt gelang dem Innenministerium der erste Kontakt – mit Hilfe von Google.

Seit Wochen machte sie unentwegt Druck, wollte mal Telegram sperren lassen, mal den Messengerdienst aus App-Stores werfen. Doch auf einmal ließ Innenministerin Nancy Faeser (SPD) locker. Jetzt ist klar, warum: Telegram ließ sich auf Gespräche ein und will kooperieren.

Telegram reagiert auf den Druck

"Dieser Schritt ist ein guter Erfolg, auf dem wir aufbauen werden", twitterte Faeser am Morgen. Nach monatelanger Funkstille gibt es erstmals eine Chance, Hetze und Gewaltaufrufe in Chatgruppen zu verhindern und zu ahnden.

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Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sagte unserer Redaktion, es sei "vollkommen inakzeptabel", dass Telegram als Anbieter sozialer Plattformen öffentliche Mordaufrufe und kriminelle Angebote toleriere.

So richtig die Kontaktaufnahme auch sei, müsse das Unternehmen allerdings "nicht bloß auf Zuruf" die Gesetze einhalten, meint der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle. "Die Bundesinnenministerin muss gegenüber Telegram deutlich machen, dass die Plattform mit der Justiz kooperieren muss", sagte er unserer Redaktion.

Konstantin Kuhle (FDP).
Konstantin Kuhle (FDP). © Bundestagsbüro

Kontakt zu Telegram: Google hatte die Adresse

Kuhle erinnert daran, dass 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz eingeführt wurde, just um strafbare Inhalte aus sozialen Medien zu entfernen. Es verpflichtet die sozialen Netzwerke selbst zur Löschung strafbarer Inhalte – und genau darin besteht für ihn der Webfehler.

Über die Strafbarkeit einzelner Inhalte habe in Deutschland die Justiz zu entscheiden und nicht private Unternehmen, betonte Kuhle. Bei Telegram kam hinzu, dass der Messengerdienst für die Behörden nicht erreichbar war.

Videokonferenz mit Telegram-Chef Pavel Durov

Die Behörden wussten zwar, dass der vom Russen Pavel Durov gegründete Dienst seinen Sitz in Dubai hatte, aber die Plattform stellte sich taub. So sehr Faeser auch in Interviews drohte, die Reaktion war immer gleich: kein Anschluss unter dieser Nummer.

Faeser nahm daraufhin Apple und Google in die Pflicht, die Telegram-App aus ihrem Angebot zu verbannen. Von Google kam denn auch der weiterführende Hinweis: eine E-Mail-Adresse von Telegram.

Und tatsächlich: Auf einen neuen Kontaktversuch reagierte Durov. Am Mittwoch kam es zu einer Video-Konferenz mit Innen-Staatssekretär Marcus Richter, bei der Telegram ausdrücklich seine Kooperationsbereitschaft ("maximum level of cooperation as possible") erklärte.

Druck auch von Justizminister Buschmann

Dass Faeser geradezu erleichtert klang, nur weil überhaupt ein Kontakt zustande gekommen war, zeigt einerseits, dass sie ihre Möglichkeiten ausgereizt hatte, und andererseits, dass sie die Chance nicht verstreichen lassen will.

In Wahrheit verfolgt die Bundesregierung eine Doppelstrategie. Während Faeser auf den Dialog setzt, führt Justizminister Marco Buschmann (FDP) zwei Bußgeldverfahren gegen Telegram durch und hält so den Druck aufrecht.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). © Michael Kappeler/dpa

Bisher gelang es allerdings nicht, die dazu fälligen Bescheide zuzustellen. Seit Mittwoch ist zumindest dieses Problem gelöst. Bei der Video-Konferenz wurde außerdem ein weiteres Gespräch, womöglich sogar ein Treffen, ins Auge gefasst. Es brauche eine gewisse Ausdauer, um an das Unternehmen heranzukommen, hatte Minister Buschmann mehreren Zeitungen gesagt, "die haben wir". Die Hartnäckigkeit beider Minister, freut sich Fiedler, habe sich ausgezahlt.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte angekündigt, Telegram ins Visier zu nehmen. "Insbesondere die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass sich Menschen auf Telegram radikalisieren, andere bedrohen oder sogar Mordaufrufe veröffentlichen", sagte BKA-Chef Holger Münch. Lesen Sie auch: Telegram: Was hilft gegen das Netzwerk der Hetzer?