Berlin. Die Grünen haben zwei neue Parteivorsitzende. Vor ihnen liegen viele Herausforderungen – die größte dürfte ein Balanceakt sein.

In der Politik gilt, ähnlich wie im Sport: Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Gut besichtigen ließ sich das am Wochenende auf dem digitalen Parteitag der Grünen. Die letzte Bundestagswahl ist zwar erst gut vier Monate her, doch in der Partei haben viele 2025 schon jetzt fest im Blick.

Aus der Enttäuschung über das Rekord-und-doch-zu-wenig-Ergebnis im September 2021 wächst da gerade ein unbedingter Wille, es beim nächsten Mal hinzubekommen.

Die Grünen träumen schon jetzt wieder vom Kanzleramt

Während Olaf Scholz das Mantra von der Ampel-Koalition als Projekt für mehr als vier Jahre wiederholt, als hoffe er, die Wähler zum Kreuz bei der SPD zu hypnotisieren, träumt man hier mehr denn je von einer oder einem Grünen im Kanzleramt.

Theresa Martus.
Theresa Martus. © Reto Klar

Auch interessant: Nouripour: Wie der Außenpolitiker zum Grünen-Chef aufstieg

Wenn es davor in drei Jahren eine Chance geben soll, muss die Partei in der Regierung lernen, auf einem schmalen Steg zwischen Prinzipienfestigkeit und Kompromissbereitschaft zu balancieren: Zu viel Harmonie mit den Koalitionspartnern schadet dem eigenen Profil und macht es schwierig zu erklären, warum die Wählerinnen und Wähler den Grünen künftig mehr Einfluss geben sollten.

Zu heftige Abgrenzungsbemühungen torpedieren die Arbeit im Kabinett und die Umsetzung der eigenen Ziele – ebenfalls keine gute Basis, um mehr Menschen zu überzeugen, dass die Partei etwas bewegen kann. Sie darf den Streit nicht scheuen, aber auch nicht aus Eigeninteresse provozieren.

Vier Jahre Wahlkampf – das kann niemand wollen

Um bei diesem Balanceakt nicht auf die Nase zu fallen, sollte die Partei sich genau überlegen, welche Konflikte sie austragen will – und sichergehen, dass sie dabei nicht nur grüne Spezialinteressen bedient, sondern ihr politisches Kapital für Anliegen einsetzt, die über ihre Kernwählerschaft hinausweisen.

Bürgerinnen und Bürger merken, ob Parteien streiten, weil der Inhalt lohnt, oder ob es ums Profil geht. Und vier Jahre Wahlkampf will niemand.

Lesen Sie auch: Ricarda Lang: Das will die neue Grünen-Chefin erreichen