Berlin. Die frühere SPD-Chefin Andrea Nahles bekommt einen neuen Top-Job. Sie wird offenbar neue Vorstandschefin der Bundesagentur für Arbeit.

Zweieinhalb Jahre nach ihrem vollständigen Rückzug aus der Politik soll die ehemalige Bundesarbeitsministerin und einstige SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles neue Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden. Arbeitgeber und Gewerkschaften schlugen die 51-Jährige am Dienstag in einer abgestimmten Mitteilung als Nachfolgerin des bisherigen BA-Chef Detlef Scheele vor. Der 65-Jährige wechselt in diesem Jahr in den Ruhestand.

Die gebürtige Rheinland-Pfälzerin hatte im Juni 2019 nach massiver Kritik aus den eigenen Reihen sowohl den Partei- wie den Fraktionsvorsitz niedergelegt und war später auch aus dem Bundestag ausgeschieden. Seit August 2020 ist Nahles Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, einer nachrangigen Behörde des Bundesfinanzministeriums, das zuletzt vom heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geführt wurde.

Andrea Nahles: Politikerin mit Fans und Kritikern

Nahles war über Jahre eine streitbare Figur der Bundespolitik. Ihre Anhänger sehen in der katholischen Tochter eines Maurers aus der Eifel eine überzeugte Kämpferin für Arbeitnehmerrechte und eine Anwältin der Rentnerinnen und Rentnern. Nahles galt als „Trümmerfrau“, die eine damals am Boden liegende Partei wieder aufrichten sollte. Kritiker werfen ihr indes vor, in ihrer Zeit als Arbeitsministerin mit Projekten wie der Rente mit 63 vor allem auf die ältere Wählerschaft Rücksicht genommen zu haben und die Generationengerechtigkeit dabei aus dem Blick verloren zu haben.

Ihre Amtszeit als SPD-Chefin war jedoch kurz. Ein Jahr, einen Monat und elf Tage dauerte es von der Wahl an die SPD-Spitze bis zu ihrer Rücktrittsankündigung. Nahles‘ Amtszeit als SPD-Chefin stand von Anfang an unter keinen guten Vorzeichen. Nur einen Monat vor ihrer Wahl im April 2018 setzte sie zusammen mit Scholz gegen heftigen innerparteilichen Widerstand durch, dass die SPD ein weiteres Mal in die ungeliebte große Koalition mit der Union geht. Auch dafür wurde Nahles mit nur 66 Prozent der Stimmen abgestraft. Die Konflikte in der SPD schwelten indes weiter.

Nahles schmiss 2019 enttäuscht hin

Zugleich sackten die Werte der Partei damals immer weiter ab. Der historische Tiefststand von 15,8 Prozent bei der Europawahl Ende Mai 2019 gab der innerparteilich ohnehin stark angeschlagenen Partei- und Fraktionschefin den Rest. Die Vorwürfe von Genossinnen und Genossen wurden hart und persönlich. Nahles zog die Reißleine. Vom Umgang mit ihr war sie offensichtlich so enttäuscht, dass sie ihre bundespolitische Karriere ganz beendete – mehr als 30 Jahre nach ihrem Eintritt in die SPD als 18 Jahre alte Gymnasiastin.

Nahles ist vielen durch kuriose Auftritte und robuste Wortwahl in Erinnerung. Der Union versprach sie nach Ende der zweiten Großen Koalition in ironisch-derbem Ton, von der SPD gebe es jetzt „in die Fresse“. Damals ging Nahles davon aus, die SPD lande in der Opposition. Wenig später musste sie dann die dritte Groko durchsetzen.

Auch die Mitbegründung des „Parlamentskreises Pferd“ sowie eine Gesangseinlage am Rednerpult des Deutschen Bundestages, während der Nahles das berühmte Titellied der Kinderserie „Pippi Langstrupf“ mit dem Refrain „Ich mache mir die Welt, Widdewidde wie sie mir gefällt“ zu singen versuchte, irritierten viele.

Nahles erwarten nun schwierige Aufgaben

Mit dem Posten an der Spitze der Bundesagentur für Arbeit würde Nahles die Leitung von einer der wichtigsten Bundesbehörden in Deutschland übernehmen. Die BA war während der Pandemie eine zentrale Schaltstelle bei der Bewältigung der Corona-Krise. Auch die Aufgaben der Zukunft sind groß. Arbeitgeber und Gewerkschaften teilten am Dienstag mit, die BA werde in den kommenden Jahren enorme, „ja geradezu epochale Herausforderungen“ schultern müssen.

Sie nannten die Bewältigung und Folgen der Corona-Pandemie bei der Bearbeitung von Kurzarbeitergeld, die Umsetzung des Koalitionsvertrags sowie die Bewältigung von Strukturwandel, Transformation und Fachkräftemangel. Wirtschaftsverbände warnen vor einer Verschärfung des Fachkräftemangels in den kommenden Jahren.

Hinzu komme, dass all dies die BA selbst auch als Arbeitgeberin beschäftigt, so BDA und DGB: „Haushaltskonsolidierung, Personalmanagement und Digitalisierung der Verwaltung fordern den künftigen Vorstand zusätzlich.“ Die Bundesagentur hatte Milliardengelder für die Bekämpfung der Corona-Krise ausgegeben. Zu massiven Einbrüchen auf dem Arbeitsmarkt war es nicht gekommen. Dazu trug vor allem die Kurzarbeit bei, die in der Pandemie stark ausgeweitet wurde.

Dieser Artikel ist zuerst bei waz.de erschienen.