Aachen. Am Freitag versammelten sich über 35.000 Menschen bei der „Fridays For Future“-Demonstration in Aachen – doppelt so viele wie erwartet.

Ihr haltet unsere Zukunft in euren Händen“, „Wacht endlich auf“, „Streik für unsere Zukunft“: Mit Schildern wie diesen und Parolen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ sind an diesem Freitag (21. Juni) Tausende Schüler bei „Fridays for Future“ durch Aachen gezogen.

Der bunte, lautstarke und vor allem auch internationale Protestzug setzte sich dabei nicht nur aus Schülern zusammen, auch viele Eltern und andere Erwachsene begleiteten die jungen Klimaschützer. In einer ersten Einschätzung sprachen die Organisatoren am Mittag von 35.000 bis 40.000 Teilnehmern – doppelt so viele wie erwartet.

Demonstranten aus 17 Ländern – unter anderem Spanien, Italien, Polen – seien dabei, hieß es auf einer Pressekonferenz. Eine genaue Schätzung der Zahlen sei schwierig, meinten die Veranstalter, zeigten sich aber überzeugt: „Das ist die größte Klimademo, die es je gab.“

„Fridays for Future“-Demo kurzzeitig wegen Brückenkletterern gestoppt

Eine Sprecherin der Polizei Aachen nannte auf Nachfrage der Redaktion keine eigene behördliche Einschätzung zur Teilnehmerzahl, sie verwies auf die Veranstalter. Die Polizeisprecherin berichtete von einem bis hier hin „ruhigen Verlauf“. Nach Informationen der Redaktion sind in Aachen, Viersen sowie verschiedenen Orten des Rheinischen Kohlereviers insgesamt 2500 Beamte im Einsatz.

Mehrere Demonstranten kletterten auf Brücken und brachten den Zug damit kurz zum Anhalten. Auch junge Demonstranten kletterten mit.
Mehrere Demonstranten kletterten auf Brücken und brachten den Zug damit kurz zum Anhalten. Auch junge Demonstranten kletterten mit. © dpa | Henning Kaiser

Weil Aktivisten auf zwei Brücken geklettert waren, stoppte die Polizei einen Demozug kurzzeitig – zum Schutz der Aktivisten und der anderen Demonstranten, wie eine Polizeisprecherin erklärte.

Unter den Brückenkletterern waren auch zwei Kinder, die Mädchen (7 und 10 Jahre) wurden ans Jugendamt übergeben. Bei den anderen Kletterern handelte es sich um vier Aktivisten der Umweltorganisation Robin Wood.

Sie waren vor der Kundgebung am Tivoli an der CHIO-Fußgängerbrücke hochgeklettert und hatten dort zwei Banner aufgehängt. Darauf war zu lesen „Klimaschutz statt Kohleschmutz“. Während der Kundgebung hingen die Aktivisten mit Seilen gesichert in mehreren Metern Höhe.

Ältesten Teilnehmer ist 88 Jahre

Bereits am frühen Morgen hatten sich viele junge Klimaschützer auf den Weg nach Aachen gemacht, auch aus dem Ruhrgebiet fuhren die Demonstranten mit Zügen nach Aachen. „Wir wollen uns für den Klimaschutz engagieren“, sagte ein Vater am Morgen am Essen Hauptbahnhof, der mit seinen drei Kindern und seiner Nichte zur Demo fuhr. Es sei wichtig ein Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen und für eine Änderung der Politik einzutreten.

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    Viele Schüler hatten selbst gebastelte Plakate mitgebracht. Darunter waren Schilder mit Aufschriften wie: „Die Dinos dachten auch, sie hätten Zeit“ oder „Grandma, what’s a Snowman?“ (Oma, was ist ein Schneemann?). Über einem Feuerwehrauto hing ein Transparent mit dem Spruch „Our House is on fire“ (Unser Haus steht in Brand). Der 21 Jahre alte Nikolai Maas aus Karlsruhe hatte ein Schild dabei mit der Aufschrift: „Mach’s wie der BER: boykottier Flüge“ - eine Anspielung auf den nicht fertig werdenden Berliner Flughafen.

    Längst sind die „Fridays for Future“ nicht mehr nur ein Thema der Jugend, fand auch dieser Demonstrant.
    Längst sind die „Fridays for Future“ nicht mehr nur ein Thema der Jugend, fand auch dieser Demonstrant. © dpa | Henning Kaiser

    Einer der ältesten Teilnehmer war der 88 Jahre alte Erasmus aus Köln. „Wir unterstützen die Schüler, wir wollen zeigen, dass wir Alten dieselben Ideen haben und dieselben Ziele“, sagte er. Lange nicht alle Teilnehmer schwänzten den Unterricht, denn viele Schulen hatten den Freitag als Brückentag zwischen Fronleichnam und dem Wochenende freigegeben. „Ich habe frei“, sagte etwa die 17 Jahre alte Romy aus Köln. Sie hielt ein Schild hoch mit der Aufschrift „Das Klima ist aussichtsloser als unser Mathe-Abi“.

    Demonstration bleibt friedlich

    Michael Mertens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), war vor Ort und zeigte sich beeindruckt von der „Fridays for Future“-Demo: „Wenn so viele Menschen friedlich demonstrierend zeigen, dass sie sich Sorgen ums Klima und um die Zukunft machen – dann ist das ganz klar ein Auftrag an die Politik!“ Mertens hob damit nicht nur auf die Dimension des Protestzuges ab, sondern gerade auch auf die Art, zu demonstrieren.

    Aus dem Geschehen heraus habe es sich immer wieder ergeben, dass einzelne Polizisten plötzlich mitten im Demonstrationsgeschehen standen – und zwar, „ohne dass sie von Demonstranten angefeindet oder angerempelt worden wären, nichts“. Am Rande der Demo besetzten offenbar Autonome ein altes Kino an der Aachener Bastei und hängten Transparente aus den Fenstern.

    Über die Anzahl der Besetzer vermochte eine Polizeisprecherin am Nachmittag zunächst keine Angaben zu machen. Per Lautsprecherdurchsagen wurden die Besetzer aufgefordert, das Kino zu verlassen, die Polizei bereitete sich auf eine mögliche Räumung vor. Die Behördensprecherin erklärte auf Nachfrage der Redaktion, dass die Besetzung nichts an der Einschätzung ändere, dass die Demo an sich friedlich und sehr ruhig gewesen sei.

    Blogger Rezo freut sich über seine Berühmtheit

    NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur bescheinigte „Fridays For Future“ eine besondere, positive Energie: „Irrsinnig kraftvoll, friedlich und freundlich.“ Von der Demo in der Heimatstadt des Ministerpräsidenten gehe ein klares Signal nach Düsseldorf: „Die Landesregierung muss endlich handeln - die dreckigsten Kohlekraftwerke müssen jetzt vom Netz“, forderte Neubaur im Gespräch mit der Redaktion.

    Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) müsse sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass der Kohlekompromiss zügig über ein „Kohleausstiegsgesetz“ umgesetzt werde. Aus Sicht der Grünen gehört unbedingt auch ein Anpassungsgeld für die Beschäftigten dazu, wie es das seinerzeit auch bei der Steinkohle gegeben habe: „Die Beschäftigten brauchen Sicherheit“, drängt Neubaur.

    Die Polizei hatte mit deutlich weniger Teilnehmern bei der „Fridays For Future“-Demo in Aachen gerechnet.
    Die Polizei hatte mit deutlich weniger Teilnehmern bei der „Fridays For Future“-Demo in Aachen gerechnet. © Getty Images | Sascha Schuermann

    Bei der Demo in Aachen war nach eigenen Angaben auch der Youtuber Rezo dabei. Der Aachener (26), der mit dem Youtube-Video „Die Zerstörung der CDU“ Millionen von Menschen erreichte, verbreitete beim Internetdienst Instagram am Freitag mehrere Videosequenzen von der Großdemo.

    In einer Szene filmte er einen Demonstranten mit einem Plakat, das einen gemalten Rezo zeigte. Kommentar des Youtubers: „Alter, wie cool - ich bin sogar auf Plakaten drauf.“

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    unter anderem über den Klimawandel gesprochen und dabei vor allem die CDU kritisiert.

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    mit Blockaden im Rheinischen Braunkohlerevier beginnen. Im Laufe des Tages würden Tausende vom Protest-Camp in Viersen aufbrechen, hieß es. Die Aktionen würden das ganze Wochenende andauern.

    Nach früheren Informationen hat das Bündnis die Blockaden am Tagebau Garzweiler geplant. Damit fordern die Aktivisten den sofortigen Kohleausstieg „und einen grundlegenden Systemwandel“. Polizei sperrte den Bahnhof in Viersen. Die Polizei hatte bereits am Vormittag angeordnet, dass keine Züge mehr im Bahnhof Viersen halten und diesen damit de facto für den Personenverkehr gesperrt.

    Menschen aus 17 Ländern sollen bei der Demonstration dabei gewesen sein.
    Menschen aus 17 Ländern sollen bei der Demonstration dabei gewesen sein. © Getty Images | Sascha Schuermann

    Eine Sprecherin der auch hier für den Einsatz zuständigen Polizei Aachen begründete dass damit, das der Aufruf von „Ende Gelände“ zu Blockaden im Tagebau Garzweiler ein Aufruf zu Straftaten sei. Mit der Maßnahme im Bahnhof wolle man verhindern, dass Aktivisten nach Garzweiler gelangen, letztendlich wolle man damit Straftaten verhindern. Erst am Nachmittag konnten Züge wieder in Viersen halten.

    Die Sprecherin räumte ein, dass auch Unbeteiligte von der Bahnhofssperrung betroffen sind: „Letztendlich ist so eine Maßnahme immer eine Abwägungsfrage.“ Rechtlich begründet wird sie mit Paragraf 8 des Polizeigesetzes. Die Klimaaktivisten zeigten sich allerdings nur mäßig beeindruckt. Sie organisierten einen Busshuttle zu einer Mahnwache nach Bedburg, strategisch günstig gelegen zwischen dem Tagebau Garzweiler und mehreren Braunkohlekraftwerken.

    RWE warnt Aktivisten vor lebensgefährlichen Risiken

    Die Polizei zeigte schon am frühen Morgen auch deutliche Präsenz am Braunkohletagebau Garzweiler, gut 20 Kilometer vom Camp der Aktivisten entfernt. „Wir rechnen jetzt jederzeit mit einzelnen Aktionen“, sagte Sprecher Andreas Müller am Tagebau in Jüchen. Neben einer Vielzahl von Mannschaftswagen standen auch ein Wasserwerfer und ein Räumwagen der Polizei am Tagebau in Bereitschaft.

    Der Energiekonzern RWE warnte die Aktivisten vor lebensgefährlichen Risiken auf seinen Betriebsanlagen. Schüler planen auch Aktionen in den großen Ferien. Per Eilantrag beim Verwaltungsgericht Aachen wollen Demonstranten erreichen, dass die Polizei die Sperrung des Bahnhofs Viersen aufhebt. Die beiden Antragsteller befänden sich nach Aussage ihres Prozessbevollmächtigten an dem Bahnhof und wollten von dort nach Aachen zur Großdemonstration „Fridays for Future“ reisen.

    Die Veranstalter sind überzeugt: „Das ist die größte Klimademo, die es je gab.“
    Die Veranstalter sind überzeugt: „Das ist die größte Klimademo, die es je gab.“ © Getty Images | Sascha Schuermann

    Das Verwaltungsgericht Aachen will nach Auskunft eines Sprechers kurzfristig über diesen Eilantrag entscheiden. Am morgigen Samstag will „Fridays For Future“ ebenfalls am Tagebau Garzweiler für einen früheren Kohleausstieg demonstrieren. Nach Empfehlungen der Kohlekommission ist ein Ausstieg spätestens 2038 geplant. Die Organisatoren der Demo in Aachen kündigten an, dass es auch während der Sommerferien Aktionen geben werde.

    Die Klimakrise macht keine Ferien, also mache man selbst auch keine, hieß es. Ebenfalls an diesem Samstag wollen auch Umweltverbände und Initiativen aus Dörfern an den Tagebauen für einen schnellen Kohleausstieg im Rheinischen Revier demonstrieren. (mit dpa)

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