Berlin. Elf Straßen in Berlin betroffen. Für weitere 117 Abschnitte muss die Verkehrsbehörde darlegen, wie sie die zu hohen Stickstoffdioxid-Werte senken will

    und Joachim Fahrun

    Auch in Berlin wird es spätestens im Sommer 2019 auf zahlreichen Straßen der Stadt Fahrverbote für alte Dieselfahrzeuge geben. Das hat das Verwaltungsgericht am Dienstag entschieden. Betroffen sind zunächst elf Abschnitte von acht Straßen, auf denen das Gericht ein Fahrverbot als zwingend erforderlich ansieht. Das sind die Leipziger Straße, Reinhardtstraße, Brückenstraße, Friedrichstraße, Alt-Moabit und Stromstraße innerhalb des S-Bahnrings, aber auch der Kapweg in Reinickendorf sowie die Leonorenstraße in Lankwitz. An den betroffenen Straßenzügen wohnen 16.000 Menschen.

    Dazu kommen 117 weitere Straßenabschnitte mit 15 Kilometern Länge, wo nach Auffassung der Richter Fahrverbote zu prüfen sind. Dem Senat setzten sie eine Frist bis zum 31.März 2019, um die Maßnahmen zu prüfen und zu verhängen. Um mögliche Verbote umzusetzen, bleiben der Verkehrsbehörde dann noch zwei bis drei Monate.

    Mit ihrer Entscheidung und deren Begründung übten die Richter der 10. Kammer auch deutliche Kritik am bisherigen Vorgehen des Senats bei der Reduzierung des Schadstoffausstoßes. Der derzeit gültige Luftreinhalteplan und das Konzept zu seiner Weiterführung in den kommenden Jahren sähen keine ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung des festgelegten Grenzwertes für Stickstoffdioxide vor, heißt es in der Begründung. Als Obergrenze gilt ein Schadstoffausstoß von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt.

    Davon ist Berlin allerdings nach wie vor weit entfernt. Der Senat war bislang bestrebt, den Schadstoffaussstoß vor allem durch die Einführung von Tempo-30-Zonen zu reduzieren. Den erhofften Erfolg haben diese Maßnahmen auf vielen Streckenabschnitten nicht einmal im Ansatz gebracht, wie Messungen unter anderem der TU Berlin ergaben. Laut Gericht ist der Fahrzeugverkehr für 75 Prozent des Stickstoffdioxid-Ausstoßes in Berlin verantwortlich, 88 Prozent davon stammt aus Dieselmotoren.

    Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) gab der Bundesregierung und der Autoindustrie die Schuld an der jetzigen Lage. Sie sprach dennoch von einem „ausgewogenen Urteil, welches die „Gesundheit klar priorisiert“. Sie wertete es als Erfolg, dass es gelungen sei, die Zahl der zu sperrenden Straßenzüge zu reduzieren und zu verhindern, dass die gesamte Umweltzone für Diesel abgeriegelt wird. Günther ließ offen, ob das Land Berlin in die Berufung geht oder nicht.

    Ein flächendeckendes Diesel-Verbot in Berlins Innenstadt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als Klägerin zunächst gefordert. Nachdem der Vorsitzende Richter Ulrich Marticke während der Verhandlung bereits andeutete, dass die Kammer diese Forderung für überzogen halte, beschränkte der DUH-Anwalt seinen Antrag im Schlussplädoyer auf die Forderung streckenbezogener Fahrverbote, für die sich schließlich auch das Gericht aussprach. Auch Senatorin Günther nannte eine Vollsperrung der Innenstadt „unverhältnismäßig“.

    Die Verkehrsbehörde muss nun Umleitungsrouten für Diesel um die für sie gesperrten Straßen festlegen. Zudem müssen die Fachleute die 117 weiteren Straßenabschnitte prüfen und ermitteln, wie sie die Belastung dort senken können. Richter Ulrich Marticke machte deutlich, dass er das erwartet.

    Auf die Frage, wie die Fahrverbote kontrolliert werden sollen, gibt es bisher keine Antwort. Denn Autos, die bestimmte Straßen nicht mehr passieren dürfen, sind als solche bisher nicht zu erkennen. Polizisten müssten für Kontrollen also die Fahrer herauswinken und die Papiere prüfen. Hamburg hat am 31. Mai 2018 als erste deutsche Stadt Diesel-Fahrverbote eingeführt – für 580 Meter der Max-Brauer-Allee und 1,7 Kilometer der Stresemannstraße. Die Hamburger Polizei hatte Ende Juni bei Schwerpunktkontrollen an den beiden für Diesel gesperrten Straßen der Hansestadt 173 Verstöße festgestellt. Wer die Einfahrtsbeschränkungen in Hamburg ignoriert, muss mit einem Verwarn- bzw. Bußgeld in Höhe von 25 für Autos bis 75 Euro für Lastwagen rechnen. In Stuttgart kostet ein Verstoß 80 Euro. Was er in Berlin kosten wird, ist noch unklar.