Rom.

Die italienische Regierung geht im Haushaltsstreit mit Brüssel auf Konfrontationskurs. Die Ankündigung, die Neuverschuldung in den kommenden drei Jahren auf je 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, hatte Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst. Dazu hatte auch die Äußerung eines Finanzpolitikers der rechtspopulistischen Regierungspartei Lega beigetragen, derzufolge Italien „mit einer eigenen Währung einen Großteil seiner Probleme lösen“ würde.

Ursprünglich war für dieses Jahr nur ein Minus von 1,6 Prozent angepeilt. Die Staatsverschuldung in Italien beträgt rund 130 Prozent der Wirtschaftsleistung – das ist nach Griechenland der höchste Wert in der EU. Die Pläne der beiden Regierungsparteien würden die Schuldenspirale weiter nach oben treiben: Die Lega peilt eine drastische Steuersenkung an, was die staatlichen Einnahmen reduziert. Die Anti-Esta­blishment-Partei Fünf Sterne will hingegen ein bedingungsloses Grundeinkommen über 780 Euro pro Monat einführen, was zusätzliche Milliarden kostet. Nach Bekanntgabe der höheren Staatsverschuldung stieg der Risikoaufschlag für italienische Staatstitel im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen auf ein Fünfjahreshoch. Gleichzeitig kletterte die Rendite für zehnjährige Staatstitel fast auf ein Vierjahreshoch.

Angesichts dieser prompten Reaktionen der Märkte versuchte der parteilose Ministerpräsident Giuseppe Conte gegenzusteuern. „Der Euro ist unsere Währung, und sie ist für uns unverzichtbar“, so Conte. Doch der Ton zwischen Rom und Brüssel verschärfte sich weiter. Nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Zusammenhang mit Italien vor dem Risiko einer weiteren Euro-Krise wie in Griechenland gewarnt hatte, kündigte der stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini Entschädigungsforderungen an. Aus Sicht des Lega-Chefs lösten nicht die Ankündigungen neuer Schulden, sondern Brüsseler Warnungen vor deren Folgen Nervosität an den Finanzmärkten aus. Salvini schreckte auch vor Anspielungen auf Junckers angebliche Alkoholprobleme nicht zurück. „Ich rede nur mit nüchternen Personen“, betonte Salvini, der zugleich Innenminister ist. Nachdem Kritik an seiner Äußerung laut geworden war, legte Salvini nach: „Wenn ihr auf Google nach Juncker nüchtern oder torkelnd sucht, werdet ihr mitunter beeindruckende Bilder finden.“

Der andere stellvertretende Ministerpräsident, Luigi Di Maio, stellte sich hinter Salvini. Er sehe keine Veranlassung, ihm wegen seiner Aussagen über Juncker Vorwürfe zu machen, versicherte der Vorsitzende der Fünf-Sterne-Partei. Trotz des eskalierenden Streits mit der EU kündigten Salvini und Di Maio Kurskorrekturen bei ihren Haushaltsplänen an. Das weit über den bisherigen Vereinbarungen mit Brüssel liegende Defizit soll bereits 2020 wieder auf 2,1 Prozent sinken und 2021 weiter auf 1,8 Prozent. Die Finanzmärkte entspannten sich daraufhin wieder etwas.

Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Nach den EU-Regeln ist das Land angesichts seines gewaltigen Schuldenbergs zum Sparen verpflichtet. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, das Prozedere mit Italien sei dasselbe wie mit allen anderen Ländern. Rom müsse den Budgetplan bis Mitte Oktober einreichen. Dann würden die Diskussionen beginnen – „wie mit jedem anderen auch“.

Brüssel steht im Umgang mit den Haushaltsplänen der italienischen Regierung vor einer Zwickmühle. Sollte die Neuverschuldung tatsächlich auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, müsste die EU-Kommission Sanktionen nach dem Stabilitätspakt in Gang setzen. Dieser war 2011 unter dem Eindruck der griechischen Schuldenkrise verschärft worden. Damit sollten Regierungen zu Reformen gezwungen und eine Extremverschuldung verhindert werden.

Die EU fürchtet: Das Beispiel Italien könnte Schule machen

Sollte Brüssel Italien für die hohe Neuverschuldung tatsächlich bestrafen, würde sich die Regierung in Rom sehr wahrscheinlich in die Opferrolle begeben. Die Verantwortlichen für Kurseinbrüche und hohe Zinsen für italienische Staatsanleihen wären nach dieser Logik in Brüssel zu suchen. Verzichtet die EU-Kommission dagegen auf Sanktionen, würde sich nicht nur Italien beim Bruch des gemeinsam vereinbarten Regelwerks bestätigt fühlen. Das Beispiel könnte in anderen Ländern Schule machen.