Berlin. Ein neuer Band ehrt die Träger des Point-Alpha-Preises

    Theresa Martus

    Lech Wałęsa hat es früher geahnt als viele andere: 1981, als es die Solidarność gerade ein halbes Jahr gab, habe er auf einer Reise nach Paris einem Bundesminister das Ende der deutschen Teilung prophezeit. „Er hat mich betrachtet, als würde ich fantasieren“, berichtete der polnische Politiker später. Doch Wałęsa sollte recht behalten.

    Nachzulesen ist diese Szene in „Von Gorbatschow bis Biermann“. Der Band, den die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und der frühere Staatssekretär Jürgen Aretz am Montag in Berlin vorgestellt haben, dokumentiert die bisherige Geschichte des Point-Alpha-Preises. Darin gesammelt sind die Laudationen auf die Träger des Point-Alpha-Preises ebenso wie die Reden der Geehrten selbst – auch die von Wałęsa, in der er von seiner Reise nach Paris berichtet. Benannt ist die Auszeichnung nach jenem Punkt an der hessisch-thüringischen Grenze, wo sich Truppen der Nato und des Warschauer Paktes so nah gegenüberstanden wie sonst nirgends außerhalb von Berlin. Nach der Wende entstand zwischen Rasdorf auf der hessischen und Geisa auf der thüringischen Seite eine Gedenkstätte. Eine Stiftung und ein Förderverein haben es sich zum Ziel gemacht, an die friedliche Wiedervereinigung zu erinnern, unter anderem mit dem Preis.

    Das Spektrum der Preisträger ist breit: Als Erste wurden 2005 Michail Gorbatschow, ehemaliger Präsident der Sowjetunion, sein amerikanischer Amtskollege George H. W. Bush und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl ausgezeichnet.

    Aber auch Bürgerrechtler der DDR und Künstler wie Wolf Biermann sind unter den Geehrten. Was sie beigetragen haben zur Einheit der beiden deutschen Staaten, erklärt eine Gruppe hochrangiger Laudatoren, darunter Hans-Dietrich Genscher und Norbert Lammert. Die Sammlung verschafft so eine Ahnung, wie viele Menschen an der Wiedervereinigung beteiligt waren.

    Und wie steht es nun, fast 30 Jahre nach der Öffnung der Mauer, um diese Einheit, für die sich die Preisträger eingesetzt haben? „Es ist ein besonderes Verdienst, dass dieses Land wieder eine Mitte hat“, sagte Lieberknecht am Montag. Doch vor allem in letzter Zeit würden häufig wieder Konfrontationen und Konflikte betont. „Ich habe das Gefühl, dass viel dem Osten zugeschoben wird, was Gesamtdebattenlage ist“, so die CDU-Politikerin.