Berlin.

Nach dem dreitägigen Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland richten sich viele Augen auf die Zentralmoschee in Köln, die der Staatschef am Sonnabend offiziell eingeweiht hat. Welche Rolle spielt das islamische Gotteshaus, das einst als Symbol der Integration der rund 3,5 Millionen Deutschtürken gefeiert wurde? Und wie viel Einfluss hat der Träger, der zunehmend umstrittene Islamverband Ditib, in unserem Land?

Was war besonders an Erdogans Auftritt in Köln?

Ursprünglich wollte Erdogan vor vielen Tausend Deutschen mit türkischen Wurzeln eine Rede halten: Sie war als Dank für seine Erfolge beim Verfassungsreferendum im April 2017 und bei der Präsidentschaftswahl im Juni 2018 gedacht. Eine große Mehrheit der Deutschtürken hatte für ihn gestimmt. Zeitweise war auch ein Fußballstadion in Nordrhein-Westfalen im Gespräch. Die deutsche Seite hatte ihre ablehnende Haltung zu der Idee signalisiert – die türkische Regierung lenkte schließlich ein. Ankara entschied sich dann für die offizielle Eröffnung der Zentralmoschee in Köln als Ersatz-Plattform.

Erdogan begann seinen Auftritt mit einer zurückhaltend intonierten Versöhnungsrede. Er lobte die „tief verwurzelte Freundschaft“ zwischen der Türkei und Deutschland. Später verfiel der Präsident jedoch in den altbekannten Wahlkampfmodus. Er verteidigte die türkischstämmigen Fußballnationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die sich für ein gemeinsames Foto mit ihm hatten ablichten lassen. Sie würden in Deutschland „ausgegrenzt“ – ein nicht akzeptabler „Rassismus“. Und: Alle Deutsch-Türken sollten die doppelte Staatsbürgerschaft bekommen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) war ebenso wenig zur Eröffnung erschienen wie die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Beiden erhielten keine Möglichkeit zur Rede – eine Anwesenheit als reine Staffage für Erdogan lehnten sie ab.

Wer hat in der Moschee das Sagen?

Das Gotteshaus ist die Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib, der größten Islam-Dachorganisation in Deutschland. Sie untersteht der Religionsbe­hörde Diyanet in Ankara. Diese bezahlt und entsendet alle Imame in die rund 900 Moscheegemeinden in Deutschland.

Welche Ziele verfolgt der Islamverband?

Die Ditib bezeichnet sich als unabhängige und rein religiöse Organisation. Doch seit dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli 2016 ist sie unter Druck geraten: Während in der Türkei Zehntausende Staatsdiener wegen Terrorverdachts entlassen wurden, hatten einige Imame im Auftrag der Regierung in Ankara Kritiker oder vermeintliche Gegner Erdogans in Deutschland bespitzelt. Zudem sorgten Berichte für Unruhe, nach denen in einigen Moscheegemeinden Kinder in Uniform Kriegsszenen nachspielen sollten. Die Ditib setze Erdogans rabiaten Kurs gegen Andersdenkende in Deutschland um, lautet ein häufig geäußerter Vorwurf. Sie sei der verlängerte Arm des Präsidenten.

Das war nicht immer so. In der Amtszeit des früheren Kölner Oberbürgermeisters Fritz Schramma (CDU) von 2000 bis 2009 funktionierte die Zusammenarbeit mit der Ditib gut. Man hatte sich die Integration der Deutschtürken gemeinsam auf die Fahnen geschrieben. Mit dem Bau der Moschee verbanden sich große Hoffnungen: Sie sollte ein Symbol der Offenheit sein. Doch plötzlich war der damalige liberale Ditib-Geschäftsführer Mehmet Yildirim aus der Führungsetage der Organisation verschwunden. Die Ditib schottete sich immer mehr ab.

Wie reagieren Politik und Behörden in Deutschland?

Der Bund fördert keine Projekte in Ditib-Trägerschaft mehr. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat ihre Kooperation mit dem Bundesverband auf Eis gelegt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft nach Medienberichten eine Beobachtung der Ditib. Es habe ein Dossier mit Informationen an die Länder verschickt, die bis Mitte Oktober eine Stellungnahme übermitteln sollen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte vor einer voreiligen Beobachtung der Ditib durch den Verfassungsschutz. Dafür müssten „hohe rechtliche Hürden genommen werden“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Ministerpräsident Laschet forderte die Ditib in einem „taz“-Interview auf, sich wieder auf die theologische, seelsorgerische Arbeit zu konzentrieren und keine Politik zu machen. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sprach sich für einen härteren Umgang mit der Ditib aus. Zwar könne man Erdogan nicht verbieten, in Köln eine Ditib-Moschee zu eröffnen. „Aber es zeigt, wie eng Ditib und die Regierung in Ankara verbunden sind“, sagte die Politikerin der „Saarbrücker Zeitung“. Sie finde es richtig, dass der Verfassungsschutz eine Beobachtung der Ditib prüfe. Die Kölner SPD-Politikerin Lale Akgün meinte, eine Beobachtung der Ditib müsse diskutiert werden. Es handle sich um eine Institution, die nur dazu da sei, Erdogans Vorstellungen in Deutschland umzusetzen, sagte Akgün im Deutschlandfunk.

Wie kam es zum Bau der
Großmoschee in Köln?

Bereits 1996 befürwortete der Rat der Stadt Köln Planungen eines repräsentativen Moscheebaus. Das Gotteshaus sollte ein Ort der Offenheit, Begegnung und Integration werden. Bauherrin der rund 30 Millionen Euro teuren Moschee ist die Ditib. Die Organisation hat gleich daneben ihre Deutschland-Zentrale. Im Jahr 2009 waren die Arbeiten für den Beton-Glas-Komplex zügig vorangegangen, doch dann wurde gestritten. Die Ditib warf den renommierten Architekten Paul Böhm raus, wegen angeblich auf 34 Millionen Euro verdoppelten Kosten und 2000 Baumängeln. Das Büro wies den Vorwurf zurück: Mehrfach habe Ankara kostentreibende Änderungen angemahnt, weil man christliche Symbolik im Bau befürchtete. Die ursprünglich für 2012 vorgesehene feierliche Eröffnung verzögerte sich immer wieder – und fand erst am Sonnabend statt. Auch wenn die Stadt Köln eine vollständige Nutzung des Moscheekomplexes noch nicht genehmigt hat.