Berlin.

Erst neulich saß Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in einer Talkshow und sprach über die Energiewende. In den Augen des Ministers ist sie eine „Erfolgsgeschichte“. Beim Ausbau der Stromnetze hake es ein wenig, räumte Altmaier ein. Aber das bekomme er in den Griff.

Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, und seine Experten sehen das etwas anders. Sie haben sich die Energiewende und das Wirken von Altmaiers Ministerium genauer angesehen und kommen zu einem vernichtenden Urteil: Der groß angelegte Plan, weniger Treibhausgase zu produzieren, auf erneuerbare Energien umzusteigen und überhaupt Energie einzusparen – dieser Plan werde nicht nur dramatisch schlecht organisiert. „Die Bundesregierung droht mit dem Projekt zu scheitern“, fasst Scheller seine Erkenntnisse ungewöhnlich deutlich zusammen.

Der „Bericht über die Koordination und Steuerung zur Umsetzung der Energiewende“, der an diesem Freitag an den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung verschickt wird, ist 42 Seiten dick. Und auf fast jeder dieser Seiten hagelt es Kritik. „Der enorme Aufwand, der betrieben wird, aber auch die großen Belastungen für Bürger und Wirtschaft - all das steht in krassem Missverhältnis zu dem bisher dürftigen Ertrag bei der Umsetzung der Energiewende“, sagt Scheller.

Nach Berechnungen der Finanzkontrolleure haben die energiepolitischen Pläne allein im Jahr 2017 „mindestens 34 Milliarden Euro“ gekostet. In den vergangenen fünf Jahren zusammen seien „mindestens 160 Milliarden Euro“ aufgelaufen. Die Bundesregierung selbst habe jedoch keinen Überblick über die Kosten und sorge auch nicht für Transparenz. Dies sei umso erstaunlicher, als im zuständigen Wirtschaftsministerium fast 300 Vollzeitbeschäftigte mit der Energiewende befasst seien. In der ganzen Regierung sind es laut Rechnungshof 675 Personen. „Auch die Rechtsetzung fällt durch Masse auf“, bemerkt Scheller. So regelten 26 Gesetze und 33 Verordnungen die Erzeugung, Speicherung, Übertragung, Verteilung und den Verbrauch von Energie.

„Viel hilft nicht unbedingt viel“, fasst der Präsident zusammen. „Der Ressourcenaufwand, der hier betrieben wird, ist beispiellos.“ So erhalte das Wirtschaftsministerium viele Daten zur Energiewende. Sie seien aber unvollständig oder widersprüchlich und überhaupt zu wenig aussagekräftig. Auch die Koordination zwischen den Akteuren sei unzureichend. „Es gibt keine Stelle, an der alles zusammenläuft und die Gesamtverantwortung übernimmt“, sagt Scheller. Diese Stelle sei aber „unerlässlich“. Sie solle geschaffen werden.

Was eine „bezahlbare“ Energiewende ist, ist unklar

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofs sind die wichtigen und für das Jahr 2020 gesetzten Ziele der Energiewende überhaupt nicht mehr zu erreichen. Dies gelte beispielsweise für das Ziel, die Produktion von Treibhausgasen im Vergleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent zu reduzieren. Hier stehe man gerade bei rund 30 Prozent. Auch der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch werde kaum noch auf 18 Prozent steigen. Aktuell seien es 15 Prozent. Ähnlich verhalte es sich mit anderen Zielen. Der Energiebedarf für Gebäude sei sogar zuletzt wieder gestiegen statt gesunken.

Auch die Strompreise für Verbraucher seien in den vergangenen zehn Jahren auf einen neuen Höchstwert von 30,48 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Für Unternehmer seien es 12,7 Cent. Ob mit dieser Entwicklung das Ziel, die Energiewende bezahlbar zu gestalten, verfehlt werde, „kann allerdings nicht getroffen werden, weil die Bundesregierung dieses Ziel nicht quantitativ ausgestaltet hat“, heißt es in dem Bericht des Bundesrechnungshofs. Seine Forderung: Das Wirtschaftsministerium müsse endlich klar machen, was es unter dem Ziel einer bezahlbaren Energiewende verstehe. Auch das Ziel der Versorgungssicherheit müsse definiert werden.

Konkret fordern die Prüfer, die Energiewende nicht weiter mit vielen komplizierten Gesetzen zu regeln: „Vielmehr sollten sie einen rechtlichen Rahmen und ökonomische Anreize zu umweltverträglichem Verhalten setzen.“ Als Beispiel nennt der Bundesrechnungshof „eine allgemeine CO2-Bepreisung“, also eine Steuer auf das Klimagas Kohlendioxid. Eine solche Abgabe gibt es bereits in vielen anderen Ländern. Dort werden die Einnahmen wieder direkt an die Bürger ausgeschüttet. Umweltexperten fordern sie seit Längerem auch für Deutschland.

„Steigen die Kosten der Energiewende weiter und werden ihre Ziele weiter verfehlt, besteht das Risiko des Vertrauensverlustes in die Fähigkeit von Regierungshandeln“, heißt es am Schluss des Berichts. Das Bundeswirtschaftsministerium, das von den Finanzkontrolleuren um Stellungnahme gebeten worden war, will aber keine Fehler erkennen. Die Energiewende sei effizient koordiniert und zeige Wirkung. Es gebe keinen Handlungsbedarf.