Berlin.

Genau ein Jahr nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 ist die Frage, wer sich als Kanzlerkandidat der Union eignen könnte, schon wieder aktuell. Angesichts der Zerrüttung in der großen Koalition über die Flüchtlingspolitik und die Personalie des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen ist der Fortbestand des Bündnisses aus CDU, CSU und SPD alles andere als sicher – auch wenn es den Koalitionsspitzen am Sonntagabend gelang, sich auf eine neue Verwendung für Maaßen zu verständigen.

Das Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid hat im Auftrag dieser Redaktion repräsentativ erhoben, welchem führenden CDU-Politiker die Bürger eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur zutrauen. Die Exklusiv-Umfrage zeichnet ein deutliches Bild: CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ist Favoritin. 31 Prozent der Bundesbürger glauben, Kramp-Karrenbauer hätte als Kanzlerkandidatin Erfolg. 44 Prozent sind gegenteiliger Meinung, 25 Prozent machen keine Angabe oder wollen sich nicht festlegen. Unter den Anhängern der Union geben 51 Prozent ein positives und 36 Prozent ein negatives Votum für die frühere saarländische Ministerpräsidentin ab.

Kantar Emnid stellte die Namen von acht führenden CDU-Politikern zur Beurteilung. Die CSU hat seit der erfolglosen Bewerbung von Edmund Stoiber im Jahr 2002 darauf verzichtet, Ansprüche auf die Kanzlerkandidatur der Union zu erheben – und befindet sich vor der Bayern-Wahl im Oktober in besonderen Turbulenzen. Die SPD hat nach Lage der Dinge – in aktuellen Umfragen liegt sie bei 17 Prozent – nicht die Stärke, den nächsten Kanzler zu stellen.

Ungewöhnlich: Die genannten CDU-Politiker werden in der Gesamtbevölkerung allesamt überwiegend negativ beurteilt werden. Immerhin 38 Prozent trauen der amtierenden Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel zu, auch bei einer fünften Kandidatur gut abzuschneiden. Jedoch ist die Skepsis der Bürger deutlich stärker ausgeprägt als bei Kramp-Karrenbauer: 57 Prozent können sich einen weiteren Erfolg Merkels nicht vorstellen. Auf den Plätzen drei und vier in der Rangliste folgen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Merkel wünscht sich AKK als Nachfolgerin

Erst auf Platz fünf kommt Gesundheitsminister Jens Spahn, dem große Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden. Gerade mal 19 Prozent können sich eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur Spahns vorstellen, 57 Prozent vertreten eine andere Ansicht. Hinter Spahn reihen sich der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ein, der auf dem letzten Platz dieser Befragung landet.

Beschränkt man die Befragung auf Wähler von CDU und CSU, liegt ebenfalls Kramp-Karrenbauer vorn. Eine überwiegend positive Beurteilung erhalten außerdem Merkel (52 Prozent trauen ihr eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur zu, 44 Prozent sind skeptisch) und Klöckner (43 zu 36 Prozent). Die Plätze vier bis sieben unter Anhängern der Union belegen Altmaier (42 zu 50 Prozent), Laschet (26 zu 50), von der Leyen (34 zu 61) und Günther (13 zu 45). Merkel-Kritiker Spahn landet im Lager von CDU und CSU mit 24 Prozent Zustimmung und 60 Prozent Ablehnung überraschend auf dem letzten Platz.

Die Umfrage kommt zu einem Zeitpunkt, an dem es nicht nur in der großen Koalition, sondern auch in der CDU Erschütterungen gibt. Die 56-jährige Kramp-Karrenbauer und der 38-jährige Spahn laufen sich unübersehbar warm für die Nachfolge Merkels. Der junge Minister setzt auf eine ehrgeizige Agenda in der Gesundheitspolitik, während die Generalsekretärin versucht, die CDU in ihrer ganzen Breite anzusprechen und hinter sich zu versammeln.

Kramp-Karrenbauer ist die Nachfolgerin, die Merkel in Zukunft gerne hätte. AKK, wie sie genannt wird, verzichtete auf einen Kabinettsposten, sie wollte stattdessen lieber CDU-Generalsekretärin werden – auch um den Kontakt zur Basis der Partei herzustellen. Merkel selbst kämpft in diesen Tagen um ihre Kanzlerschaft.

Nach einer monatelangen Regierungsbildung musste die Kanzlerin vor der Sommerpause eine erbitterte Auseinandersetzung über die Flüchtlingspolitik mit CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer überstehen – um sich unmittelbar nach der Sommerunterbrechung wieder in einer existenziellen Krise um den Rauswurf von Verfassungsschutzpräsident Maaßen wiederzufinden.

Die Auseinandersetzung hat die schwarz-rote Koalition ein weiteres Mal an den Rand ihrer Existenz gebracht – und ist womöglich nur vorläufig beigelegt.