Berlin. Die Zweifel an der Handlungsfähigkeit der großen Koalition wachsen.Dabei gibt es viel zu regeln - auch beim zentralen Thema Migration

    Es sind schöne Worte, die im Koalitionsvertrag stehen. Das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der Politik solle wieder gestärkt werden: „Dabei streben wir einen politischen Stil an, der die öffentliche Debatte belebt, Unterschiede sichtbar lässt und damit die Demokratie stärkt.“ Doch die schwarz-rote Koalition fiel zuletzt vor allem durch den Streit um die Zukunft von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen auf. Die Causa ist vorerst geklärt. Andere Vorhaben, um die sich die Regierung dringend kümmern müsste, gibt es genug. Ein Überblick:

    Wohnen
    Union und SPD sehen Mieten und Wohnen als neue „soziale Frage“. Am Freitag wird es bei der Kanzlerin ein Spitzentreffen mit Verbänden, Gewerkschaften und Experten geben. Angelaufen ist das Baukindergeld, das Familien und Alleinerziehende mit Kindern beantragen können. Pro Kind gibt es 12.000 Euro für Verträge oder Baugenehmigungen, die von Januar 2018 bis Ende 2020 abgeschlossen werden. Experten kritisieren, dass der Zuschuss die Immobilienpreise anheizen werde. Am Mittwoch hat das Kabinett einen Steuerbonus verabschiedet, der Anreize für den Bau von 1,5 Millionen Mietwohnungen bieten soll. Der Experte für Bauen und Wohnen im Innenministerium, Staatssekretär Gunther Adler, ist indes weg – er weicht für Hans-Georg Maaßen.

    Migration

    Der erste große Streit der Koalition entzündete sich am „Masterplan Migration“ von Bundesinnenminister Horst Seehofer. Darin schlug der CSU-Politiker die Einrichtung von Ankerzentren für Asylbewerber vor und verlangte, Flüchtlinge ohne Papiere und abgeschobene Asylbewerber, die nach Deutschland zurückwollen, an der Grenze abzuweisen. Während die Anker­zentren im Koalitionsvertrag stehen, sprach sich die Kanzlerin gegen Alleingänge an der Grenze aus: Sie wolle sich für ein europäisches Asylrecht einsetzen. Seither hat Seehofer mit Spanien, Italien und Griechenland Rücknahmeverträge ausgehandelt – doch die geplanten Abkommen betreffen nur kleine Gruppen von Flüchtlingen.

    Rente

    Die Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung ist das wohl wichtigste Projekt der Koalition. Der beigelegte Streit um das Rentenpaket war ein Vorgeschmack. Die wirkliche Debatte wird in zwei Jahren kommen – vor der nächsten Bundestagswahl. Dann legt die Rentenkommission ihren Bericht über die Rente ab 2025 vor. Die SPD will das Rentenniveau um jeden Preis mit einem höheren Steuerzuschuss bei 48 Prozent des Durchschnittslohns halten. Die Union versucht, eine Debatte zu vermeiden. Sie weiß noch nicht, was sie will.

    Verkehr

    Die Koalition hat kein erkennbares Konzept für eine Verkehrswende vorgelegt. Aber ihr ist klar, dass sie die Dieselkrise nicht aussitzen kann. Es stehen zwei Landtagswahlen an, und Kanzlerin Merkel hat schnell ein Dieselkonzept bei Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bestellt. Es soll den Streit um technische Nachrüstung lösen. Das Konzept wird aber kurzfristig weder Fahrverbote verhindern noch den Wertverlust von Dieselautos rückgängig machen.

    Bildung und Erziehung

    Das Gute-Kita-Gesetz, mit dem der Bund die Länder bei der Verbesserung der Kindertagesbetreuung unterstützen will, hat das Kabinett am Mittwoch beschlossen. Doch bevor die 5,5 Milliarden, die bis 2022 fließen sollen, ankommen, müssen die Länder festlegen, wie sie das Geld verwenden – damit sie nicht Haushaltslöcher stopfen. Die GroKo will zudem das Grundgesetz ändern, um die Schulen in Deutschland besser vom Bund fördern zu können. Doch dafür muss sie eine Zweidrittelmehrheit organisieren – im Bundestag und im Bundesrat. Beim Bafög wollen Union und SPD eine Milliarde Euro zusätzlich ausgeben. Konkrete Vorschläge gibt es noch nicht.

    Pflege und Gesundheit

    Neben der Rente beschäftigt die Bürger am meisten, wie, wo und von wem sie im Alter gepflegt werden. Gesundheitsminister Spahn (CDU) hat gleich vier Gesetze und Verordnungen auf den Weg gebracht, die für mehr Personal und bessere Bezahlung sorgen sollen. Woher die Pfleger kommen, ist unklar. Das nötige Geld wird zum Jahreswechsel mit einer Erhöhung des Beitrags für die Pflegeversicherung eingesammelt. Damit sollen auch die besseren Leistungen in der Pflegeversicherung bezahlt werden.

    Digitalisierung

    Der Koalitionsvertrag verspricht „eine flächendeckende digitale Infrastruktur von Weltklasse“. Aber auch in kommenden Jahren werden nicht alle schnellen Mobilfunk und schnelles Internet nutzen können. Auch bei der digitalen Verwaltung hinkt Deutschland hinterher.