Berlin.

Es ist das, was man einen klassischen Kompromiss nennt: Der umstrittene Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, muss seinen Posten räumen. Stattdessen wird er Staatssekretär im Bundesinnenministerium. „Bundesinnenminister Horst Seehofer schätzt seine Kompetenz in Fragen der öffentlichen Sicherheit, allerdings wird Herr Maaßen im Ministerium nicht für die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig sein“, hieß es in einer kurzen Pressemitteilung, die um 17.49 Uhr am Dienstag vom Bundespresseamt verschickt wurde. Die Parteivorsitzenden der großen Koalition, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer sowie SPD-Chefin Andrea Nahles, hatten sich im Kanzleramt zuvor beraten.

Maaßen hatte vor gut einer Woche der „Bild“-Zeitung gesagt, er teile die Skepsis über Medienberichte zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz. Zudem sprach der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz von „guten Gründen“, die dafürsprächen, dass das Video „gezielte Falschinformation“ sei, um von der Debatte über die Migrationspolitik abzulenken. Der Verfassungsschutzchef löste damit eine Debatte um die Deutung der Demonstrationen in Chemnitz aus, bei denen es rechtsextreme Ausschreitungen gab und der Hitlergruß gezeigt wurde.

Der nun erzielte Kompromiss ist eine Gesichtswahrung auf hohem Niveau: Bislang saß Maaßen als Verfassungsschutzchef auf einer B9-Stelle, die mit knapp 11.600 Euro dotiert ist. Der 55-jährige Maaßen war im August 2012 an die Spitze der Behörde gekommen. Nun steigt er als Staatssekretär in die Gehaltsstufe B11 auf, wird Regierungsmitglied mit deutlich verbesserten Bezügen von knapp 14.000 Euro.

Merkel will keinen Bruchder Koalition riskieren

Als sich Kanzlerin Angela Merkel um 15 Uhr mit Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer zu einem Gespräch unter vier Augen traf, machte bereits das Szenario einer Versetzung die Runde. Es werde an einer „technischen Lösung“ gearbeitet, hieß es.

Um 16 Uhr kam SPD-Chefin Andrea Nahles hinzu, die Runde der drei Parteivorsitzenden brauchte dann aber noch knapp zwei Stunden Beratungszeit für den Fall Maaßen. Vor allem Merkel suchte nach einer Lösung, die auch Seehofer das Gesicht wahren lässt. Zu groß erschien der CDU-Vorsitzenden die Gefahr, dass sich an dieser Frage erneut ein Unions- oder Koalitionsstreit entzündet, der die Regierung infrage gestellt hätte. Denn Seehofer hatte sich als dessen Dienstchef gleich zweimal vor Maaßen gestellt, sprach ihm sogar im Bundestag das Vertrauen aus.

Doch die Unterstützung reichte nicht aus. Denn in der SPD war man bereit, bis zum Äußersten zu gehen. „Maaßen muss gehen, und er wird gehen“, lautete die Losung von Nahles. Eine Versetzung Maaßens galt in der SPD als gangbarer Kompromiss, da man ja schlecht in Seehofers Ministeriumsplanungen hineinreden könne – so wie er auch nicht in die der SPD.

Die Staatssekretärslösung hatte man bei den Sozialdemokraten im Vorfeld allerdings für die schlechteste aller Varianten gehalten: „Das ist eine Beförderung und eigentlich nur schwer vermittelbar.“ Dass diese Einschätzung stimmte, zeigte sich unter anderem in der Reaktion von Ex-SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel: „Wenn Illoyalität und Unfähigkeit im Amt der neue Maßstab für Karriere sind, dann hat Horst Seehofer gute Chancen bis zum UNO Generalsekretär aufzusteigen“, twitterte er sarkastisch nach Bekanntgabe der Entscheidung. Der bayerische SPD-Abgeordnete Florian Post sprach von einem „Schmierentheater“.

Allerdings: Ohne den Druck, den die Sozialdemokraten aufbauten, wäre Maaßen noch immer in Amt und Würden. Zu glauben, die Partei werde nach Maaßen in den kommenden Wochen zur geräuschlosen Sacharbeit zurückkehren, ist unrealistisch. Die SPD wird auf Profilierungskurs bleiben. Nahles braucht Geländegewinne à la Maaßen, um die von Juso-Chef Kevin Kühnert angeführten GroKo-Gegner bei Laune zu halten. Viele Parteilinke haben das Gefühl, dass die SPD wieder zu wenig sichtbar in der Regierung ist.

Die Causa Maaßen sorgte auch in der Union für Unmut. Innen- und Rechtspolitiker stellten sich grundsätzlich hinter den 55-Jährigen, kritisierten aber sein Agieren bei dem umstrittenen Interview. Sicherheitspolitiker Patrick Sensburg (CDU) sagte, Maaßens Interviewäußerung über die Vorfälle in Chemnitz sei „nicht glücklich“ gewesen. Doch die ganzen anderen Vorwürfe gegen Herrn Maaßen „halte ich für falsch. Von daher glaube ich nicht, dass er zurücktreten sollte“.

In Merkels Umfeld war man auch über das Agieren Seehofers nicht begeistert. In der CDU hatte man durchaus auch auf einen freiwilligen Rückzug Maaßens gesetzt, doch es passierte nichts. Sich schützend vor einen Behördenchef zu stellen, sei das eine. Wenn dieser aber seine Darstellung eines gefälschten Videos nicht belegen könne, dann sei das Aussprechen des Vertrauens zumindest fraglich.

Eigentlich wollte die Koalition nach der Sommerpause endlich durchstarten, das Augenmerk auf soziale Themen und sachliche Regierungsarbeit lenken. Doch jetzt wird man über Staatssekretärsgehälter debattieren. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach bereits von einer „unglaublichen Mauschelei. Wer illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD belohnt statt ahndet, hat jedes Gespür für Anstand verloren. Und die SPD macht alles mit“.