Wie kann die Luft in den Innenstädten in kurzer Zeit so sauber werden, dass Fahrverbote für Dieselautos noch verhindert werden können? Das ist die Kernfrage, die in der Bundesregierung seit mehr als einem Jahr für Streit sorgt – zuerst in der alten und nun in der neuen Regierung. Die CSU-Verkehrsminister waren stets der Meinung, dass es ausreicht, die Motoren mit neuer Software auszurüsten. Die SPD-Umweltministerinnen wollten dagegen immer schon eine größere Lösung: Ohne die Nachrüstung der Abgasanlagen von Dieselautos, so ihre Überzeugung, können Stickoxide nicht reduziert werden.

Der Streit ist entschieden: Die technische Nachrüstung von Dieselautos rückt näher. Wie sie aussehen wird, für welche Autos sie kommen und wer sie bezahlen wird, ist noch unklar. Aber die grobe Richtung ist jetzt klar. Mit der etwas schrägen Formulierung vom Freitag, er werde sich „technische Gedanken machen, wie wir bestehende Fahrzeuge noch sauberer bekommen“, hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seinen Sinneswandel dokumentiert. Diese Wende kommt spät, aber sie kommt. Das ist besser, als wenn immer mehr Städte Fahrverbote hätten verhängen müssen, weil sie die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide sonst nicht hätten einhalten können.

Scheuer und die Autoindustrie haben grundsätzlich recht, wenn sie sagen, es sei besser, in neue und saubere Autos zu investieren, als alte Fahrzeuge mit nachträglichen Einbauten zu versehen. Diese Haltung verkennt aber dreierlei: Erstens haben die meisten Bürger schlicht nicht das Geld, um sich schnell für Zehntausende Euro ein neues Auto zu kaufen. Zweitens werden die Autos nicht sauberer, wenn sie als Gebrauchtwagen woanders auf der Welt herumfahren. Und drittens werden die Werte für Stickoxide ja nicht gerissen, weil die Deutschen keine neuen Autos kaufen wollen. Sie werden gerissen, weil Hersteller bei der Abgasreinigung geschummelt haben – und weil Städte, Landesregierungen und die Bundesregierung geschlafen und das Problem der schlechten Luft ignoriert haben.

Stickoxide werden ja nicht erst seit gestern gemessen, die Belastung ist auch nicht erst seit gestern zu hoch. Bis Umweltaktivisten die Einhaltung der Werte vor immer mehr Gerichten erstritten haben, ist schlicht zu wenig passiert. Auch jetzt hat nicht besseres Wissen, sondern der politische Druck durch ein Gerichtsurteil die Wende gebracht: Weil sich Frankfurt am Main auf ein Fahrverbot vorbereiten muss, weil in Hessen der Landtag neu gewählt wird und die dortige CDU ihre Macht verlieren könnte – nur deshalb hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihrem Verkehrsminister ins Gewissen geredet. Ob unter diesen Vorzeichen eine dauerhafte Lösung des Problems zu erwarten ist?

Trotzdem ist klar, wer für die Um- und Nachrüstungen der alten Diesel zahlen muss: Es sind die Hersteller. Sie haben das Problem erst vertuscht und dann versucht, es zu ignorieren. Seit Monaten blockieren sie eine nachträgliche Lösung des Dieselproblems. Sie tragen dadurch dazu bei, dass Tausende von Dieselfahrzeugen langsam an Wert verlieren – und sie verdienen gleichzeitig Milliarden, weil viele Kunden entnervt neue Benziner kaufen.

Das Geld für die technische Nachrüstung alter Diesel ist also da. Der Verkehrsminister muss die Hersteller nun zur Mitwirkung an diesem Projekt bewegen und sie an den Kosten der Umrüstung beteiligen. Man darf gespannt sein, wie Andreas Scheuer diese wohl größte Aufgabe in seiner Amtszeit lösen wird.

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