Berlin.

Für Horst Seehofer sind es stürmische Zeiten. Vor dem CSU-Parteitag an diesem Sonnabend in München sind seine mauen Beliebtheitswerte im ZDF-Politbarometer noch einmal richtig in den Keller gegangen. Im Juni bewerteten 41 Prozent seinen Kurs in der Flüchtlingspolitik als gut, jetzt sind es nur noch 29 Prozent. Seehofers Satz, die Migration sei „Mutter aller politischen Probleme“, wird von 63 Prozent der Befragten zurückgewiesen, 34 Prozent stimmen dem zu. Mehrheitlich sind das Anhänger der AfD (77 Prozent) und der FDP (42 Prozent).

Dazu droht der CSU bei der Landtagswahl in Bayern eine krachende Niederlage mit dem Verlust der absoluten Mehrheit, in Berlin verlangt die SPD den Abgang von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Ihm hatte Seehofer gleich zwei Mal das Vertrauen ausgesprochen. Nun versucht der Bundesinnenminister, den Spieß umzudrehen. So deutlich wie nie grenzt sich Seehofer von der AfD ab. Bis zur Sommerpause hatte die CSU mit scharfen Tönen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik den Eindruck erweckt, die AfD übertrumpfen zu wollen. Nachdem führende AfD-Politiker in Chemnitz Seite an Seite mit Rechtsradikalen marschierten, scheint auch für Seehofer ein Wendepunkt erreicht: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa über die AfD. Diese sei übermütig geworden und lasse auch dadurch die Maske fallen.

Den Versuch der AfD, den Aufruf von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für ein Gegen-Rechts-Konzert in Chemnitz, bei dem auch linke Gewaltaufrufe zu hören waren, im Bundestag zum Thema zu machen, bezeichnete Seehofer als „staatszersetzend“ und „hochgefährlich“. Müsste die AfD dann nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Dafür sieht der Innenminister jedoch bislang keine Grundlage. Die Vorfälle in Chemnitz und Köthen, wo jeweils nach dem Tod eines Deutschen, mutmaßlich durch Flüchtlinge verursacht, Tausende Rechte auf den Straßen waren, habe der Rechtsstaat im Grunde gut bewältigt.

AfD-Chef Alexander Gauland wies die Vorwürfe Seehofers scharf zurück. Das sei ein Versuch des Innenministers, mit „DDR-Rhetorik“ den eigenen Machtverlust zu kaschieren. Seehofer beschrieb sein Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel, das nach Ansicht vieler Beobachter durch den tiefen Konflikt in der Asylfrage nachhaltig gestört ist und die Koalition lähmt, als intakt. „Da ist trotzdem immer noch ein großes Vertrauen zwischen uns.“ Auf den Fall Maaßen ging er nicht ein.

Die SPD dringt darauf, dass der Chef des Inlandsgeheimdienstes, der öffentlich „Hetzjagden“ in Chemnitz und ein Video dazu angezweifelt hatte, ohne Belege dafür vorzulegen, gehen muss. Am Dienstag soll es ein erneutes Krisentreffen der Parteichefs Merkel, Seehofer und Andrea Nahles (SPD) geben. Im Raum steht ein freiwilliger Abgang Maaßens, um Schaden oder gar einen möglichen Bruch der Regierung abzuwenden.

Soweit wird es nach Einschätzung der Kanzlerin nicht kommen: „So wichtig wie die Position des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes auch ist, so klar ist auch, dass die Koalition an der Frage des Präsidenten einer nachgeordneten Behörde nicht zerbrechen wird“, sagte Merkel am Rande eines Besuchs im litauischen Vilnius. Juso-Chef Kevin Kühnert warf Merkel vor, sie mache „sich auch zum Teil des Problems, denn sie deckt Herrn Maaßen indirekt durch ihr Schweigen“, sagte er dem „Weser-Kurier“.

Für Seehofer wäre eine Ablösung des Spitzenbeamten ein Gesichtsverlust. Die Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), warnte, die AfD reibe sich wegen des Streits um Maaßen die Hände. Im Politbarometer verliert die AfD zwei Punkte und kommt auf 15 Prozent. Sechs von zehn Bürgern sehen die AfD als Gefahr, für knapp 80 Prozent gefährdet Rechtsextremismus die Demokratie, 48 Prozent bejahen das für Linksextremismus.