Tel Aviv. Der Handschlag von Jitzchak Rabin und Yassir Arafat sollte den Nahostkonflikt beenden. 25 Jahre danach ist die Lage aussichtsloser denn je

    US-Präsident Bill Clinton breitet hinter Jitzchak Rabin und Jassir Arafat die Arme aus. Vor dem Weißen Haus in Washington reichen sich der Israeli und der Palästinenser das erste Mal in der Öffentlichkeit die Hand. So besiegeln der Ministerpräsident und der PLO-Führer am 13. September 1993 ihre Versöhnung und die gegenseitige Anerkennung, nachdem sie sich jahrzehntelang als Feinde bekämpft haben.

    „Es gab dieses Gefühl, dass damit alles geregelt war. Aber ich wusste, dass das überhaupt nicht stimmte. Das hat mich sehr besorgt“, sagt Jossi Beilin in seiner Wohnung im Norden von Tel Aviv. Beilin war stellvertretender Außenminister, ein enger Vertrauter Rabins. Er hat das Abkommen, das dann in Washington als „Prinzipienerklärung über die vorübergehende Selbstverwaltung“ unterzeichnet wurde, wesentlich vorangetrieben, in Geheimverhandlungen in der norwegischen Hauptstadt. Der Oslo-Friedensprozess – 1995 wurde ein zweiter Deal unterzeichnet – ging auf ihn zurück und sah eine fünf Jahre andauernde Interimsphase bis zur Gründung eines palästinensischen Staates vor.

    Der Prozess beinhaltete den Aufbau einer palästinensischen Verwaltung, den Rückzug israelischer Truppen aus Teilen Gazas und des Westjordanlands, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung. Als Zieldatum wurde der Februar 1999 bestimmt. Dann sollte es Frieden geben, das Ende des Konflikts. An diesem Donnerstag jährt sich der Handschlag von Washington zum 25. Mal. Es ist für Jossi Beilin ein trauriges Jubiläum. Bill Clinton hatte bei der Zeremonie gesagt: „Der Frieden der Mutigen ist in Reichweite.“ Doch es folgten vor allem Leid und Enttäuschung.

    Das Massaker von Hebron, bei dem der Israeli Baruch Goldstein 1994 in Hebron 29 betende Palästinenser ermordete. Der Terror von Hamas und Islamischem Dschihad, immer wieder Selbstmordanschläge, die Dutzende israelische Leben forderten und die Bevölkerung nachhaltig traumatisierten. Dazwischen der Friedensnobelpreis für Arafat, Rabin und Israels Außenminister Schimon Peres – eine Auszeichnung auch für das Werk von Jossi Beilin, ein Preis als Ermutigung. Doch die Hoffnung schwand. Vor allem, nachdem der jüdische Radikale Jigal Amir am 4. November 1995 nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv Premier Jitzchak Rabin ermordete.

    „Ich habe die Kraft der Radikalen auf beiden Seiten falsch eingeschätzt. Sie waren bereit, alles dafür zu tun, um dieses Abkommen zu Fall zu bringen“, sagt Beilin. Und doch erkennt er auch eigene Fehler an. Die lange Übergangsphase, die mangelnde Entschlossenheit Rabins, sofort einen endgültigen Friedensvertrag auszuhandeln. Dazu kam der anhaltende israelische Siedlungsbau. Rabin hatte zugesichert, diesen einzuschränken; festschreiben lassen wollte er dies aber nicht. 1993 lebten 116 000 Israelis in der West Bank, heute sind es etwa viermal so viele. Mit der Wahl des Rechten Benjamin Netanjahu zum Ministerpräsidenten 1996 verkomplizierte sich die Lage. Der Versuch, in Camp David 2000 einen Frieden zwischen Israels Premier Ehud Barak und Arafat zu erzwingen, blieb ergebnislos. Dann kam die Zweite Intifada, der Geist von Oslo ging verloren.

    Im Zuge einer neuen, extrem Israel zugeneigten Politik hat US-Präsident Donald Trump Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt und den finanziellen Druck auf die Palästinenser immer weiter erhöht. 200 Millionen Dollar an bilateralen Hilfen wurden gestrichen, dazu 300 Millionen für UNRWA, die Hilfsorganisation der Vereinten Nationen für die palästinensischen Flüchtlinge, zuletzt sogar 25 Millionen an Hilfen für palästinensische Krankenhäuser in Ost-Jerusalem. Dazu verfügten die USA diese Woche die Schließung des palästinensischen Vertretungsbüros in Washington.

    Die israelische Bevölkerung lebt dagegen momentan recht komfortabel. Die Wirtschaft wächst, die Sicherheitslage – zumindest im Kernland – ist stabil. Es gibt keinen Druck, Risiken einzugehen, die eine Umsetzung der Lösungsvorschläge mit sich bringen würde: Räumung von Siedlungen, Gebietstausch, Teilung Jerusalems, Entschädigung von Flüchtlingen. Ein Hemmnis sind die negativen Erfahrungen nach den Abzügen aus Teilen der West Bank, aus dem Südlibanon und aus Gaza. Trotzdem unterstützt eine Mehrheit weiterhin prinzipiell die Zwei-Staaten-Lösung. Sie will, wie Rabin, den demokratischen Charakter des jüdischen Staates bewahren. Ein Ziel, das die rechte Regierung faktisch aufgegeben hat, glaubt Jossi Beilin. Er bilanziert: „Der Erfolg von Oslo ist, dass wir ein Abkommen mit unserem bis dahin größten Feind schließen konnten. Aber der Misserfolg ist, dass Oslo heute noch immer am Leben ist.“ Auch nach 25 Jahren: eine Übergangsregelung.