Berlin/Moskau.

Es ist eine Militär-Show im XXL-Format. Russland hat am Dienstag das Manöver „Wostok“ (Osten) gestartet, die größte Militärübung seit sowjetischen Zeiten 1981. Bis Sonnabend sind 300.000 Soldaten im Einsatz, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe. Darunter befinden sich auch Fregatten mit Kalibr-Raketen, Lenkwaffen, die auch in Syrien eingesetzt wurden. Beteiligt sind die Truppen des Zentralen und Östlichen Militärbezirks der Streitkräfte, dazu Fallschirmjäger, Luftwaffe, Nordmeer- und Pazifikflotte. Das Besondere an dem mehrtägigen Drill in Südostsibirien: Etwa 3000 chinesische Soldaten mit 30 Flugzeugen werden auf dem Schießplatz Zugol östlich des Baikalsees mit den Russen üben. Die benachbarte Mongolei nimmt ebenfalls teil.

Wladimir Putin trifft Xi Jinping beim Wirtschaftsforum

Russlands Präsident Wladimir Putin will damit nicht nur zeigen, dass Moskau über die militärische Feuerkraft eines weltpolitisch wichtigen Akteurs verfügt. Er sendet auch ein starkes Signal für einen politischen Schulterschluss mit Peking.

Bisher hatte China, das von Moskau mittlerweile auch mit S-400-Luftabwehrsystemen und Kampfflugzeugen vom Typ Su-35 beliefert wird, nur an kleineren Übungen wie Marinemanövern oder Antiterrortrainings mit Russland teilgenommen. Mit dem russisch-chinesischen Manöver gebe die Regierung in Moskau zu verstehen, dass es in den USA einen potenziellen Feind und in China einen potenziellen Verbündeten sehe, erklärte der Chef der Denkfabrik Carnegie Moscow Center, Dmitri Trenin. „Politisch soll die Übung demonstrieren, dass Russland und China gemeinsam in der Lage sind, der stärksten Militärmacht in der Pazifikregion, den Vereinigten Staaten, zu widerstehen“, sagte der kremlnahe Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin unserer Redaktion.

So war es kein Zufall, dass Putin beim Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping am Rande des Fernöstlichen Wirtschaftsforums in Wladiwostok am Dienstag den steigenden Handel zwischen beiden Ländern lobte. Es war die dritte Begegnung der beiden Staatschefs in diesem Jahr. Das Handelsvolumen solle dieses Jahr auf 100 Milliarden Dollar gesteigert werden und jährlich um 30 Prozent wachsen, betonte Putin. Eine ursprünglich geplante gemeinsame Teilnahme am „Wostok“-Manöver wurde allerdings von Xi Jinping kurzfristig abgesagt. Offenbar wollte der Chinese kein zusätzliches Öl ins Feuer gießen, um den Handelskonflikt mit den USA nicht weiter anzuheizen.

Russland hat sich seit 2014 zunehmend China zugewandt, nachdem die USA und Europa wegen der Krim-Annexion und des Krieges in der Ostukraine Sanktionen gegen Moskau verhängten. Washington hat die Strafmaßnahmen in der Zwischenzeit ausgeweitet. Die engere Zusammenarbeit Russlands und Chinas wird insbesondere vom US-Verbündeten Japan misstrauisch beobachtet. Tokio hat sowohl zu Peking als auch zu Moskau ein gespanntes Verhältnis. Chinas pazifischer Hauptgegner streitet mit Russland um die strategisch und wirtschaftlich wichtigen südlichen Inseln des Kurilen-Archipels.

Die Nato wertete „Wostok“ als weiteren Beleg für die Aufrüstungspolitik Moskaus. Russlands Fokus liege auf Übungen für großformatige Konflikte, unterstrich ein Sprecher. In westlichen Sicherheitskreisen wird das Manöver mit Interesse, aber ohne Alarmstimmung verfolgt. Russland wolle die Verlegung von Truppen und Material trainieren, hieß es. Es gehe dabei weniger um ein Angriffs- als um ein Verteidigungs-Szenario.

Im vergangenen Jahr hatte Russland mit dem Großmanöver „Sapad 2017“ (Westen 2017) Befürchtungen in den baltischen Nachbarstaaten sowie in Polen und der Ukraine ausgelöst. Nach russischen Angaben waren nur 12.700 Soldaten beteiligt, nach westlichen Zählungen waren es 60.000 bis 80.000. Die Nato hält ihrerseits in diesem Herbst vom 25. Oktober bis 7. November in Norwegen ein Manöver ab. Daran werden 40.000 Soldaten aus etwa 30 Nato- und Partnerstaaten teilnehmen.

Kritische Beobachter in Moskau hegen Zweifel an den Zahlen des russischen Verteidigungsministeriums: Der liberale Militärexperte Alexander Golz vermutet in der Zeitschrift „The New Times“, die „vaterländischen Barone von Münchhausen“ nutzten die riesigen Entfernungen östlich des Urals, um zu bluffen. Nach Angaben des Jahrbuches Military Balance verfüge der russische Ostmilitärbezirk über nicht mehr als 2000 bis 3000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, der Zentralmilitärbezirk über etwa 2000. „Selbst wenn man noch 8000 bis 10.000 Kraftwagen dazuzählt, fragt man sich, woher sie diese undenkbare Zahl von 36.000 Kampffahrzeugen haben?“