Berlin.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Zahl der Organspenden mit einem neuen Gesetz deutlich erhöhen. „Wir müssen alles versuchen, dass die Zahl der Organtransplantationen wieder steigt“, sagte Spahn am Freitag. Es hätten zwar immer mehr Menschen einen Organspendeausweis. „Doch den Krankenhäusern fehlt häufig Zeit und Geld, um Organspender zu identifizieren“, so Spahn. Dort setze das Gesetz an. Es solle in den Kliniken die organisatorischen und finanziellen Bedingungen für Organtransplantationen verbessern.

Die Ärzte lobten Spahn für seine Initiative. Der Koalitionspartner SPD begrüßte das Gesetz ebenfalls. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte zusätzlich, das Verfahren zu ändern, mit dem Organspender identifiziert werden: Die Bürger sollten sich nicht wie bisher aktiv für eine Spende entscheiden, sagte er. Stattdessen sollen sie widersprechen, wenn sie kein Spender sein wollten. „Ohne eine solche Widerspruchslösung werden viele potenzielle Spender nicht gefunden, weil sie keinen Spenderausweis haben und die Angehörigen mit der Situation überfordert sind“, sagte Lauterbach. Auch bei CDU und CSU wächst die Bereitschaft, grundsätzlich erst einmal alle Bürger zu Organspendern zu erklären. Minister Spahn hat sich noch nicht dazu geäußert, die Widerspruchslösung ist auch nicht Teil des aktuellen Gesetzes.

Zahl der Organspenden ist dramatisch gesunken

Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten derzeit mehr als zehntausend schwer kranke Menschen auf ein Spenderorgan. Nur so könnten sie ihre Lebensqualität deutlich verbessern oder überhaupt weiterleben. In den vergangenen Jahren war die Zahl der Organspenden zum Teil drastisch gesunken. Gab es im Jahr 2010 noch fast 1300 Spender, waren es 2017 nur noch 769. Das war laut DSO der niedrigste Stand seit 20 Jahren.

In anderen Ländern in Europa ist die Bereitschaft, nach dem eigenen Tod die Organe anderen Menschen zur Verfügung zu stellen, deutlich größer als in Deutschland. Ein Grund dafür ist, dass dort die Widerspruchslösung gilt und jeder Verstorbene grundsätzlich erst einmal auch ein Organspender ist. Ein anderer Grund ist der Organspendeskandal von vor sechs Jahren. Damals war bekannt geworden, dass Mediziner an mehreren Krankenhäusern die Akten ihrer Patienten manipuliert hatten, damit diese schneller ein Spenderorgan bekamen. Der Arzt, der im Zentrum des Skandals stand, wurde im vergangenen Jahr in letzter Instanz freigesprochen.

Unabhängig von der Frage, ob die Deutschen bereit sind, ihre Organe zu spenden, sehen Experten auch organisatorischen Verbesserungsbedarf in den Kliniken. Die Voraussetzungen dafür soll nun das neue Gesetz schaffen. Konkret sollen die Transplantationsbeauftragten, die es in Krankenhäusern inzwischen gibt, von anderen Aufgaben befreit werden. Dafür sollen bundesweit einheitliche Regeln gelten, die sich etwa an der Zahl der Betten in Intensivstationen orientieren. Die Experten sollen auch Patientenakten auswerten können und immer hinzugezogen werden, wenn Patienten nach Einschätzung von Ärzten potenzielle Spender sein könnten. Die Krankenhäuser sollen für den gesamten Prozess von Organspenden außerdem bessere Vergütungen von den Krankenversicherungen bekommen. Bundesweit will der Gesundheitsminister einen bundesweiten Bereitschaftsdienst einrichten, der qualifizierte Ärzte zur Unterstützung in kleinere Krankenhäuser schicken soll. In allen Kliniken soll es außerdem verbindliche Anweisungen geben, wie der gesamte Prozess einer Organspende ablaufen soll.

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery lobte den Gesetzentwurf. Er sei eine gute Nachricht für die Menschen, die auf ein Spenderorgan warten. „Es ist höchste Zeit, dass der Gesetzgeber endlich die strukturellen Hürden beseitigt, die für die niedrigen Organspendezahlen verantwortlich sind“, sagte Montgomery. Bisher seien die Krankenhäuser häufig auf den Kosten für die Organentnahme sitzengeblieben. Es sei deshalb sehr wichtig, dass die Finanzierung künftig gesichert sei. Die Ärzte hätten dies immer gefordert. Ähnlich bewertete Montgomery die geplante Stärkung der Transplantationsbeauftragten. Diese könnten sich voll auf ihre Aufgabe konzentrieren. „Auch dafür hat die Ärzteschaft schon lange gekämpft“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer.

In der Frage, ob alle Deutschen erst einmal zu Organspendern erklärt werden und diesem Status individuell widersprechen müssen, hatte sich Montgomery vor wenigen Jahren noch ablehnend geäußert. Inzwischen hält er die Widerspruchslösung „aus medizinischer Sicht und aus Sicht der Patienten, die auf ein Spenderorgan warteten, für richtig“. Die Lösung werde aber rechtlich und politisch schwer durchzusetzen sein. Tatsächlich warnte etwa die Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther vor einem Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Bürger. Ähnlich denken nach wie vor auch viele Unions-Politiker. SPD-Experte Lauterbach, der seit Jahren für die Widerspruchslösung ist, sagte, der Bundestags müsse frei darüber abstimmen: „Jeder Abgeordnete soll dazu sein eigenes Gewissen prüfen“, sagte Lauterbach.