Berlin. Terrorfall Amri: Behördenchef Maaßen wollte offenbar die Existenz eines V-Mannes in der Szene des Berlin-Attentäters geheim halten

    Im Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, gibt es neue Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dessen Präsident, Hans-Georg Maaßen. Denn das Amt wollte offenbar ein Treffen von Maaßen mit Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und dessen Staatssekretär Torsten Akmann am 24. März 2017 nutzen, um diese zu überzeugen, die Existenz eines V-Mannes im Umfeld des Attentäters Anis Amri geheim zu halten.

    Das ergibt sich aus einem behördeninternen Vermerk, den Maaßens Mitarbeiter für ihren Amtschef zur Vorbereitung des Treffens geschrieben hatten. Die „Berliner Morgenpost“ und das ARD-Magazin „Kontraste“ konnten das Dokument einsehen. Wörtlich heißt es darin: „Ein Öffentlichwerden des Quelleneinsatzes gilt es schon aus Quellenschutzgründen zu vermeiden.“ Außerdem schrieben Maaßens Mitarbeiter: „Ein weiteres Hochkochen der Thematik muss unterbunden werden.“ Als Vorschlag für die Gesprächsführung gaben die BfV-Mitarbeiter ihrem Präsidenten auch folgenden Ratschlag mit auf den Weg: „Dringender Hinweis, dass im Polizeisektor ein weiteres Hochschaukeln des Sachverhalts vermieden werden muss.“

    BfV gibt keine Auskunft zu Terminen

    Das bisher geheim gehaltene Treffen zwischen Amtschef Maaßen und der Spitze der Berliner Innenverwaltung sowie das behördeninterne Schreiben zur Vorbereitung des Gesprächs könnten Maaßen in Bedrängnis bringen. Denn in der Öffentlichkeit hatte der Chef des wichtigsten deutschen Inlandsgeheimdienstes stets versichert, das BfV habe zu Amri keine eigenen Erkenntnisse von V-Personen gehabt. Die Bundesregierung hatte bereits im Januar 2017 auf Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen versichert, dass das BfV „im Umfeld des Amri“ keine V-Leute eingesetzt habe.

    Der behördeninterne Vermerk des BfV zur Vorbereitung des Treffens mit Berlins Innensenator Geisel lässt diese Äußerungen nun in einem zweifelhaften Licht erscheinen. Denn in dem Dokument heißt es, dass die V-Person „nachrichtendienstliche Aufklärung“ über die dschihadistischen Besucher der Berliner Fussilet-Moschee betreibe. Zum Kreis der regelmäßigen Besucher der Fussilet-Moschee zählte auch Anis Amri. Er trat in dem Dschihadisten-Treff als Vorbeter auf und besuchte die Gebetsstätte sogar wenige Stunden vor dem Anschlag.

    Das BfV teilte auf Anfrage mit, zu einzelnen Terminen der Amtsleitung keine Auskunft zu erteilen. Die Berliner Innenverwaltung bestätigte zwar das Treffen, gab zur Frage, ob der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Maaßen dabei das Thema V-Leute im Umfeld von Anis Amri angesprochen habe, aber ebenfalls keine Auskunft.

    Oppositionspolitiker aus dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Fall Amri kündigten an, die Rolle des BfV in den Fokus zu nehmen. Die These, dass der Fall Amri nur ein Polizeifall sei, breche angesichts der Erkenntnisse über den V-Mann des BfV und des Schreibens zur Vorbereitung des Treffens mit Innensenator Geisel „wie ein Kartenhaus“ in sich zusammen, sagt der Obmann der FDP im Untersuchungsausschuss, Benjamin Strasser. Der Führer des V-Mannes müsse als Zeuge vernommen werden. „Sollte die Bundesregierung hier weiter mauern und ihre schützende Hand über den BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen halten, dann werden wir unser Recht vor Gericht einklagen“, sagte Strasser.

    Linke sieht sich in Zweifeln am BfV bestätigt

    Die Linke-Politikerin Martina Renner kritisierte, dass das BfV seine Rolle im Fall Amri bisher „kleingeredet“ habe. Diese Lesart sei nun „nicht mehr glaubwürdig und offenbar falsch“. „Wenn der Präsident einer Bundesbehörde darüber hinaus versucht, die parlamentarische Aufklärung zu behindern, hat das eine ganz besondere Qualität“, sagte Renner. Sie sehe sich in ihren grundlegenden Zweifeln am Verfassungsschutz und an Präsident Maaßen bestärkt.

    Die Abgeordnete der Grünen Irene Mihalic hatte Maaßen angesichts der Enthüllungen über den BfV-V-Mann in der Fussilet-Moschee bereits am Montag in „erheblicher Erklärungsnot“ gesehen. Wenn sich die Berichte bestätigten, habe Maaßen das Parlament falsch informiert. „Sollte sich das so herausstellen, steht die weitere Amtsausübung des BfV-Präsidenten erheblich infrage“, sagte Mihalic.