Berlin.

Wie soll die Welt auf den Bulldozer-Kurs von US-Präsident Donald Trump reagieren? Außenminister Heiko Maas (SPD) widmet sich am Montagvormittag in verschiedenen Variationen immer wieder dieser Frage. „Wenn Europa im gleichen Atemzug mit Russland und China als Gegner der USA bezeichnet wird, wenn fast beiläufig das Nato-Bündnis in Frage gestellt wird, dann ist das eben nicht nur Rhetorik. Dann entsteht daraus eine neue strategische Realität, mit der wir umgehen müssen.“ Maas redet auf der Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amts seinen Diplomaten aus der ganzen Welt ins Gewissen. Und zitiert dabei ausgerechnet Robert Kagan, einen der führenden amerikanischen Neokonservativen, der 2003 die Irak-Invasion der USA befürwortet hatte. In seinem neuen Buch „Der Dschungel wächst zurück“ – so Maas – argumentiere Kagan, „dass sich die Welt mit dem Rückzug der USA als globaler Ordnungsmacht nun wieder ihrem eigentlichen Naturzustand annähert“.

„Alternative Zahlungskanäle“ für das Geschäft mit dem Iran

Dabei plädiert Maas keineswegs für das Gesetz der freien Wildbahn. „Es gibt aber auch einige smarte Tiere, die sich im Rudel zusammenschließen, um den Gefahren der Wildnis zu trotzen.“ Seine Botschaft ist klar: Wenn auf Amerika – nach dem Zweiten Weltkrieg für viele Jahrzehnte mit den Leitideen Demokratie und Rechtsstaat die Führungsmacht des Westens – kein Verlass mehr ist, dann müssen neue Allianzen her. Im Mittelpunkt steht die regelbasierte internationale Ordnung, in der Konflikte in den Vereinten Nationen oder in der Welthandelsorganisation ausgetragen werden.

Maas reiste kürzlich nach Japan und Südkorea und stieß mit seinem Werbe-Feldzug für eine neue „westliche Wertepartnerschaft“ auf große Resonanz. In der Ära von Trump, der das Prinzip „America First“ durch Handelskriege, Sanktionen und politische Drohungen durchboxen will, sucht der Außenminister nach weiteren Bundesgenossen. Die kanadische Chefdiplomatin Chrystia Freeland, die als Festrednerin in der Botschafterkonferenz in Berlin auftritt, gehört dazu. Ihr kämpferisches Motto: „Autoritarismus ist auf dem Vormarsch, und es ist an der Zeit, dass die liberalen Demokratien zurückschlagen.“

So scharf ist der Ton bei Maas nicht. Doch in einem Gastbeitrag im „Handelsblatt“ formulierte er in der vergangenen Woche: „Wo die USA rote Linien überschreiten, müssen wir als Europäer ein Gegengewicht bilden.“ Dem Auswärtigen Amt bereiten derzeit vor allem zwei Aktionen der Amerikaner Kopfzerbrechen: die Sanktionen gegen den Iran, dessen Ölexporte Anfang November auf null gedrückt werden sollen, sowie die drohenden Strafmaßnahmen gegen das von Russland angestoßene Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Im ersten Fall wären deutsche Unternehmen betroffen, die bei einer Weiterführung ihres Irangeschäfts in den USA auf einer schwarzen Liste stünden. Im zweiten Fall müssten die deutschen Teilnehmer des Nord-Stream-2-Konsortiums – die BASF-Tochter Wintershall oder die Eon-Abspaltung Uniper – mit Nachteilen in den Vereinigten Staaten rechnen.

Die Bundesregierung arbeitet derzeit in Abstimmung mit der EU an „alternativen Zahlungskanälen“. Damit soll eine Finanzierung von Exporten zwischen europäischen Firmen und ihren iranischen Partnern möglich sein, ohne dass die amerikanische Sanktionskeule zuschlägt. Wie das genau funktionieren soll, ist noch unklar. Es werden mehrere Modelle geprüft. Die Europäer wollen auch nach dem Ausstieg der USA am Nuklearabkommen mit dem Iran festhalten.

Maas’ Marschroute führt über Brüssel: „Eine neu ausbalancierte Partnerschaft mit den USA erreichen wir nur, wenn Europa an weltpolitischem Gewicht zulegt. Daher ist ein souveränes und starkes Europa die zentrale außenpolitische Priorität für uns“, sagt er am Montag. Das Echo aus Paris lässt nicht lange auf sich warten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron übt vor den Botschaftern seines Landes scharfe Kritik am „aggressiven“ Isolationskurs der USA unter Trump. „Der Partner, mit dem Europa die neue Nachkriegsordnung aufbaute, scheint dieser gemeinsamen Geschichte den Rücken zuzukehren“, betont er.

Dass der neue Multilateralismus seine Tücken hat, zeigt sich bei der Botschafterkonferenz in Berlin. So verlangt Kanadas Außenministerin Freeland in Menschenrechtsfragen mehr Unterstützung von Deutschland, das sich im Streit des Landes mit Saudi-Arabien nicht klar hinter die Regierung in Ottawa gestellt hat. Saudi-Arabien hatte harte Vergeltungsmaßnahmen gegen Kanada verhängt, nachdem dessen Regierung Anfang August die Freilassung mehrerer saudischer Menschen- und Frauenrechtlerinnen gefordert hatte. Die Bundesregierung stellte sich daraufhin zwar allgemein hinter die Menschenrechte. Grundsätzlich wolle man das Verhältnis „zweier Drittstaaten“ aber nicht kommentieren, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amts.