Berlin.

Dem Staat geht es ums Prinzip, den Kirchen um Barmherzigkeit in absoluten Notlagen. Das Kirchenasyl, jener Sonderweg abseits des geltenden Asylrechts, entwickelt sich wieder einmal zum Grundsatzkonflikt. Anlass ist der Erlass des Bundesinnenministeriums, wonach seit 1. August deutlich schärfere Regeln für Gemeinden gelten, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewähren wollen. Der Erlass nimmt die Kirchenvertreter an die Kandare: Nun gilt eine von sechs auf 18 Monate verlängerte Rückführungsfrist für sogenannte Dublin-Fälle, wenn Kirchengemeinden Verfahrensabsprachen nicht einhalten.

Die Dublin-Regelung besagt, dass der Staat, in dem ein Flüchtling erstmals den Boden der EU betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist. Reist der Asylsuchende weiter, kann er innerhalb von sechs Monaten wieder in den Ersteinreisestaat zurückgeschickt werden. Wollen die Kirchengemeinden die Überstellung in ein EU-Erstaufnahmeland verhindern, müssten sie nach der neuen Regelung den Betroffenen mindestens 18 Monate Schutz bieten. Die neue Frist gilt auch dann, wenn die Gemeinden ein Kirchenasyl nicht innerhalb von drei Tagen nach einer abschlägigen neuerlichen Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beenden. Die verschärften Regeln stoßen bei der evangelischen Kirche auf Kritik. In einem unserer Redaktion vorliegenden Brief von Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerischer Landesbischof, an die Dekane der bayerischen Landeskirche heißt es: Durch die neuen Regelungen würden den Kirchenasyl durchführenden Gemeinden Aufgaben vom Bamf aufgebürdet, „die in manchen Fällen schwer umzusetzen sind“.

Der EKD-Ratschef setzt auf Nachbesserungen: „Auf verschiedenen Ebenen werden in den nächsten Wochen Gespräche mit verantwortlichen Politikern und Vertretern des Bamf geführt werden, um das bisher vorgelegte Regelwerk weiterzuentwickeln und so mehr schutzbedürftigen Asylbewerbern dauerhaft Hilfe zuteilwerden zu lassen.“ Im Oktober sei bereits ein Treffen zwischen den Ansprechpartnern der Landeskirchen und den Bamf-Vertretern in Nürnberg geplant, um die Praxis weiterzuentwickeln. Er beklagt: Viele engagierte Christen, die Kirchenasyle durchführen, empfänden, „dass ihr Hilfehandeln immer stärker auf einen Verwaltungsakt reduziert wird“. Ein Kirchenasyl sei aber „zunächst eine christliche Tat der Nächstenliebe“, so der Landesbischof. Laut Bedford-Strohm sorgt auch die seit 2015 vereinbarte Praxis, wonach Gemeinden Dossiers über ihre Kirchenasyl-Fälle anfertigen müssen, für Probleme. „Selbst wenn alle formalen Vorgaben eingehalten werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Bamf das Dossier ablehnt, nach bisheriger Praxis leider sehr groß“, so der Ratsvorsitzende.