Berlin/Düsseldorf.

Die EU-Kommission will mehr Klimaschutz wagen. Der neue Plan: 45 Prozent Senkung der Treibhausgase bis 2030 im Vergleich zu 1990 – statt wie bisher verabredet 40 Prozent. Wie soll das erreicht werden? Und wie reagiert die Bundesregierung? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Worum geht es bei den Klimazielen?

Kern der internationalen Verhandlungen ist es, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu senken, um die Erderwärmung aufzuhalten. Im Mittelpunkt steht dabei das 2015 geschlossene Abkommen von Paris. Die Verabredung: die globale Erwärmung bei höchstens zwei Grad zu stoppen – wenn möglich sogar bei 1,5 Grad. Werde diese Grenze überschritten, halten es Klimaforscher für möglich, dass die Folgen der Klimaveränderungen nicht mehr beherrschbar sind. Notwendig, so die Forscher, sei dabei eine „Vollbremsung“ beim Ausstoß von Treibhausgasen: Bis 2050 müsse die Welt aus der Nutzung fossiler Energie wie Kohle, Öl und Gas aussteigen. Deutschland hat sich per Bundestagsbeschluss dazu bekannt – wie auch die übrigen EU-Mitgliedsländer. Die EU gilt als Motor des Pariser Abkommens.

Worauf zielen die Maßnahmen?

Um das Zwei-Grad-Ziel gemeinsam zu erreichen, haben die Staaten der Welt freiwillige Reduktionsziele abgegeben. Von den Klimaschutzmaßnahmen sind nicht nur Kohlekraftwerke betroffen, sondern auch die Bereiche Landwirtschaft, Verkehr oder Gebäudesanierung. Rechnungen aber zeigen: Selbst wenn die Staaten ihre aktuellen Zusagen erfüllen, würde die Masse an ausgestoßenen Treibhausgasen dazu führen, dass die Erderwärmung weit über die Zwei-Grad-Grenze hinaus steigt.

Wie will die EU-Kommission ihre neuen Klimaziele erreichen?

EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete möchte seine Pläne demnächst den Mitgliedsländern vorstellen. Er peilt einen Beschluss der EU-Staaten im Oktober an – also noch vor der nächsten UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz im Dezember. Die Rechnung des Spaniers geht so: Statt um 30 Prozent soll die Energieeffizienz in Europa bis 2030 um 32,5 Prozent steigen. Und: Der Anteil von Ökoenergie am gesamten Bedarf soll auf 32 Prozent wachsen – statt auf 27 Prozent wie bisher angepeilt. Sofern diese bereits getroffenen EU-Beschlüsse zum Energiesparen und zum Ausbau erneuerbarer Energien umgesetzt würden, seien keine zusätzlichen gesetzlichen Vorgaben nötig, so das ­Argument des EU-Kommissars. „Auf Grundlage unserer Rechenmodelle würden wir de facto eine Reduzierung der Treibhausgase um 45 Prozent in der EU erreichen.“

Warum prescht die EU-Kommission vor?

Die verschärften Klimaziele sollen ein Signal an andere Staaten sein, mehr Anstrengungen gegen die Erderwärmung zu unternehmen. Vor allem will Brüssel eine Botschaft über den Atlantik senden. US-Präsident Donald Trump hatte das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt.

Wie reagieren Bundesregierung und Opposition auf den Vorstoß?

Die Bundesumweltministerin reagierte vorsichtig. Svenja Schulze (SPD) sagte, die EU habe mit einer Senkung des CO2-Ausstoßes von 40 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 schon jetzt ein anspruchsvolles Klimaziel. „Trotzdem ist es wichtig, dass auch die EU ihre Bereitschaft erkennen lässt, ihr Ziel zu überprüfen“, so die SPD-Politikerin. „Denn wir erwarten ja auch von anderen Staaten, dass sie künftig mehr tun.“

Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Energieminister Andreas Pinkwart fordert mehr Anstrengungen anderer Länder. „Noch ambitioniertere Klimaschutzziele für 2030 sind aus Gründen der globalen Klimaveränderungen zweifelsohne wünschenswert“, sagte der FDP-Politiker dieser Zeitung. Es brauche gleichzeitig aber auch bessere Voraussetzungen für Innovation in klimafreundliche Technologien. Er fordert eine größere Bereitschaft auch anderer Nationen, „ihren Beitrag zu leisten“.

Die Opposition drängt die große Koalition zur Unterstützung der EU-Kommission. „Jetzt muss die Bundesregierung nachziehen“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter dieser Zeitung. Außerdem müsse die Bundesregierung auch national handeln, sagte Hofreiter. „Die Klimaschutzziele müssen im Grundgesetz verankert werden.“ Zudem müsse unter anderem der Kohleausstieg eingeleitet werden.

Wie bewerten Wirtschaft und Umweltschützer die EU-Pläne?

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht den Vorstoß kritisch. „Schärfere EU-Klimaziele bringen nichts“, sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. „Alleingänge der EU lehnen wir ab.“ Vielen Umweltschützern sind 45 Prozent weniger Treibhausgase zu wenig.

Wo steht Deutschland bei der Reduzierung der Treibhausgase?

Die Bundesrepublik hat sich ein eigenes Klimaschutzziel gesetzt. Bis 2020 sollen mindestens 40 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als 1990. Doch diese selbst gesetzte Marke wird Deutschland Stand jetzt nicht einhalten.