Berlin. Kirchen haben nur bei der Hälfte der Fälle die erforderlichen Unterlagen beim Flüchtlings-Bundesamt eingereicht

    Es war zuletzt ruhig geworden im Dauerkonflikt um das Kirchenasyl. Ganz anders 2015, als der damalige Innenminister, Thomas de Maizière (CDU), jene „Ultima Ratio“ der Kirchengemeinden mit der islamischen Scharia verglich. Der Minister musste sich entschuldigen – aber er rang den katholischen, evangelischen und freikirchlichen Gemeinden ab, fortan die Behörden über Flüchtlinge im Kirchenasyl zu informieren und Dossiers über die einzelnen Kirchenasyle zu schicken. Seitdem prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) diese Fälle noch einmal und entscheidet unter Umständen neu über das Asylgesuch.

    Doch gegen diese Regel der Dossier-Übermittlung verstößt nach Einschätzung der katholischen und der evangelischen Kirche rund die Hälfte der Kirchengemeinden. 2017 hätten evangelische Gemeinden nur in 53 Prozent der Kirchenasylfälle ein Dossier einreichen können, erklärte der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann. Auch der Leiter des Berliner Büros der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Prälat Karl Jüsten, sagte der „Welt“, „bedauerlicherweise“ sei 2017 nur in etwa der Hälfte aller Kirchenasylfälle ein Dossier eingereicht worden. Die Verfahrensfehler sind heikel, da die historisch gewachsenen kirchlichen Sonderrechte immer wieder auf Protest in der Politik stoßen. Dabei sind die absoluten Zahlen beim Kirchenasyl überschaubar: Zurzeit befinden sich nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche mindestens 868 Menschen in 552 Kirchenasylen. Darunter sind auch 175 Kinder. Bei 512 der Kirchenasyle handelt es sich demnach um sogenannte Dublin-Fälle.

    Die Dublin-Regelung besagt, dass der Staat, in dem ein Flüchtling erstmals den Boden der EU betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist. Reist der Asylsuchende weiter, kann er innerhalb von sechs Monaten wieder in den Ersteinreisestaat zurückgeschickt werden. Verstreicht die Frist, ist der andere Staat zuständig. Durch das Kirchenasyl wird die Frist oft überschritten.

    Seit dem 1. August gilt allerdings ein Erlass von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), wonach bei Kirchenasylfällen in nicht vereinbarungsgemäß kooperierenden Gemeinden die Frist für den Selbsteintritt Deutschlands bei Dublin-Verfahren von sechs auf 18 Monate erhöht wird. Für die Gemeinden heißt das: Um eine Abschiebung zu verhindern, müssen sie das Kirchenasyl nun für bis zu anderthalb Jahre gewähren, was in Kirchenkreisen für massive Verunsicherung sorgt. Die Heraufsetzung dieser Frist gilt auch dann, wenn die Gemeinden ein Kirchenasyl nicht innerhalb von drei Tagen beenden, nachdem das Bamf bei seiner Dossier-Prüfung erneut eine Ablehnung des Asylgesuchs ausgesprochen hat.