Berlin/Brüssel.

Die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die Sanktionen von US-Präsident Donald Trump haben das Land am Bosporus in eine wirtschaftlich prekäre Lage gebracht. Sind jetzt die Europäer gefragt? Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, in Brüssel für den Haushalt der Gemeinschaft zuständig, hält wenig von europäischen Hilfen.

Was kann Deutschland, was kann Europa für die Türkei jetzt tun?

Günther Oettinger: Europa und damit auch Deutschland haben natürlich Interesse an einer stabilen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung unseres Nachbarlandes und strategischen Partners Türkei. Aber der Schlüssel zur Stabilisierung liegt in Ankara …

… inwiefern?

Es geht um eine unabhängige Notenbank, eine andere Zinspolitik und um vertrauensbildende Maßnahmen der türkischen Regierung – etwa mit Blick auf die Wirtschaftsförderung. Und wenn man an Finanzhilfen denkt, ist die erste Adresse der Internationale Währungsfonds. Er ist eingerichtet worden für dramatische Entwicklungen und Zuspitzungen. Dabei ist klar: Der IWF vergibt Darlehen unter Auflagen und mit der Maßgabe, Strukturreformen durchzuführen und volkswirtschaftlich klug zu handeln. Deswegen ist der IWF keine pflegeleichte Adresse, aber er ist die richtige Adresse.

Staatspräsident Erdogan sollte sich jetzt an den Währungsfonds der Vereinten Nationen wenden?

Zuallererst geht es um eine richtige Politik in Ankara. Ob dann ergänzend der IWF benötigt wird, muss man sehen. Für die Europäische Union ist klar: Wir werden uns an Sanktionen gegenüber der Türkei nicht beteiligen. Im Gegensatz zu den USA und Donald Trump werden wir Handel und Investitionen durch europäische Unternehmen in keiner Form erschweren. Wir verhalten uns kollegial und fair. Aber deutsche Finanzhilfen halte ich im Augenblick nicht für angezeigt.

Könnte Geld aus dem europäischen Haushalt fließen?

Leider müssen wir feststellen, dass die Türkei seit wenigen Jahren keine Fortschritte, sondern Rückschritte macht auf ihrem Weg in die EU. Wir verfügen im europäischen Haushalt über finanzielle Förderprogramme für Beitrittskandidaten. Ob wir solche Hilfen freigeben oder ihren Umfang erhöhen, hängt entscheidend von den Fortschritten in der Türkei ab.