Wien.

Karin Kneissl ist in der Verhaberungsfalle. Im Österreichischen bedeutet Verhaberung eine Form der Netzwerkbildung, die darauf beruht, dass man sich Komplimente macht, Geheimnisse bewahrt und von dieser Nähe profitiert.

Die Einladung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Hofieren, das anbiedernde Gelächter, das Tänzchen, der Knicks der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl (parteilos) auf ihrer Hochzeit in den südsteirischen Weinbergen könnten in Zukunft als Lehrbeispiel für das Wort Verhaberung dienen. Dabei fällt vor allem auf, dass Frau Kneissl die Medienarbeit Putin und seinen Vasallen überließ – und diese natürlich versuchten, die Veranstaltung als Demonstration dafür einzusetzen, dass das autoritäre Regime, das das internationale Recht missachtet und bricht, im Westen gar nicht so isoliert sei.

„Als Außenministerin ist Kneissl seit dem Kniefall vom Sonnabend eigentlich untragbar“, schreibt der liberale „Standard“. Die Einladung Putins bei Kneissls Hochzeit sendete ein Signal an alle jene Staaten in Europa, die mit Russland ernsthafte Interessenskonflikte austragen: Auf Österreich als Vermittler kann man nicht mehr zählen. Die EU-Ratspräsidentschaft sei damit ernsthaft beschädigt, die Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit verloren, meinen viele Kritiker. Denn die Distanzlosigkeit zu Putin schafft zusätzliche Parteilichkeit, die man von der FPÖ bereits kannte. Die rechtspopulistische Partei hat schon vor Regierungsantritt einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland abgeschlossen. Die Freiheitlichen gelten seither als „fünfte Kolonne Putins in Europa“. Die „Washington Post“ erinnert auch daran, dass Österreich – anders als viele andere EU-Staaten – im Fall der Vergiftung des Agenten Sergej Skripal keine russischen Diplomaten auswies.

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin schrieb auf Twitter, dass das Verhalten des Außenministeriums in Wien „ein trauriges Lächeln“ bei ihm hervorrufe. Die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner, sprach von „einer Provokation mit europäischer Dimension“. Manche Bürger wundern sich, dass Putin bereits sechsmal in offizieller Funktion Österreich besuchte. Erst im Juni feierte er in Wien das 50. Jubiläum der Gaslieferverträge zwischen Russland und Österreich.

Frau Kneissl hat stets betont, dass sie von der prorussischen FPÖ unabhängig sei – doch seit ihrer Hochzeit ist das endgültig unglaubwürdig geworden. Auf dem Fest tauchten unter anderem auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Infrastrukturminister Norbert Hofer und Verteidigungsminister Mario Kunasek auf. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lächelte etwas angestrengt, als Putins Donkosaken die Szene dominierten. Es scheint so, als würden die Regierenden in Österreich nicht verstehen, dass in der Politik erst Distanz Achtung und Respekt bringt und Stärke vermittelt.