Washington. Der ehemalige UN-Chef Kofi Annan stirbt im Alter von 80 Jahren in der Schweiz. Seine Amtszeit gilt heute vielen als Höhepunkt in der Geschichte der Vereinten Nationen

    Seine natürliche Autorität zog die Menschen unweigerlich an. Kofi Annan hatte etwas an sich, das beständig weise und gütig wirkte. Wer mit solchen Gaben und noch dazu grenzenlosem Beharrungsvermögen ausgestattet ist, musste unweigerlich zum Popstar der globalen Gemeinde werden.

    Dass der vielleicht wirkmächtigste Generalsekretär der Vereinten Nationen nach dem Schweden Dag Hammarskjöld bei vielen Vorhaben scheiterte, dass sich mit seinem Namen Pleiten und Tragödien verbinden, dass er seine Machtlosigkeit oft mit wohlgesetzten Moralpredigten tarnte, wird dabei manchmal übersehen.

    Am Samstag ist der schwarze Prediger und Visionär im Alter von 80 Jahren in einem Krankenhaus in Bern in der Schweiz gestorben. Annan war in zweiter Ehe mit der Schwedin Nane Lagergren verheiratet, er hinterlässt drei erwachsene Kinder.

    Antonio Guterres, der amtierende Generalsekretär, bezeichnete Annan als „treibende Kraft des Guten“, der den UN mit „unvergleichbarer Würde und Entschlossenheit“ gedient habe. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, die UN und die Welt hätten „einen ihrer Giganten verloren“. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, er habe „die Weisheit und den Mut“ Annans stets bewundert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Annan einen „sanften, aber hartnäckigen Kämpfer für Frieden und Menschenrechte“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, sie sei sehr traurig über die Nachricht von Annans Tod. „Mit seinen Ideen, seinen aufrechten Überzeugungen und nicht zuletzt seinem Charisma hat Kofi Annan mich und viele andere inspiriert.“ US-Präsident Donald Trump äußerte sich zunächst nicht.

    Annan, dessen Vorname Freitag bedeutet, kam im April 1938 in der damals zum britischen Empire gehörenden Goldküste zur Welt, im heutigen Ghana. Sein Vater Henry war Erbhäuptling des Volkes der Fante, arbeitete für den englischen Kolonial-Konzern Lever Brothers. „Neben Neugier und Fleiß in der Schule sollen sie aufrecht durch das Leben gehen, sich beherrschen lernen und ihre Ansichten durch kluge Argumente untermauern“, gab er als Maxime seinen Kindern auf den Weg.

    Kofi Annan begann 1958 in Ghana mit dem Studium, wechselte später nach Minnesota und an das berühmte MIT in Cambridge und später nach Genf. 1962 wurde die Weltgesundheitsorganisation seine erste Station im Reich der Vereinten Nationen. Mit jedem Job wurde Annan kundiger und ambitionierter. Als den Amerikanern der Ägypter Boutros Boutros-Ghali an der Spitze der Weltorganisation zuwider wurde, schaffte er es 1996 ganz nach oben: Der Sicherheitsrat bestimmte ihn zum Generalsekretär. Vom ersten Moment an mischte er sich mit hinter Charme verborgener Hartnäckigkeit aktiv in die Weltpolitik ein und wurde zur moralischen Instanz.

    Doch es gibt dunkle Kapitel in seiner zehnjährigen Amtszeit: 1998 reise er nach Bagdad. Saddam Hussein sei ein Mann, „mit dem ich ins Geschäft kommen kann“, erklärte Annan voreilig. Mit dem Irak verbindet sich auch ein zweiter Image-Schaden für Annan: Saddam Hussein hatte ein humanitäres UN-Programm („Öl-für-Lebensmittel“) zweckentfremdet. Annan übertrug dem ehemaligen US-Notenbank-Chef Paul Volcker die Aufgabe, den Fall zu untersuchen – das Ergebnis war desaströs. Annan hatte bei der Aufsicht versagt. Und sein Sohn Kojo spielte bei den finanziellen Machenschaften eine dubiose Rolle. Annan musste sich zudem vorwerfen lassen, in seiner Zeit als Unter-Generalsekretär der UN-Blauhelm-Einsätze zu passiv gewesen zu sein: Damals geschahen der Genozid in Ruanda (1994) und die Massenmorde der Serben an wehrlosen Muslimen im Balkan-Krieg (1995).

    Annans sanfte Wohlfühlstimme und die Aura des Wissenden führten dennoch dazu, dass sein Wirken im 38. Stock des UN-Hauptgebäudes am East River in New York bis heute von vielen als Höhepunkt in der UN-Geschichte wahrgenommen wird. „Präsident der Welt“ nannte ihn Afghanistans Präsident Hamid Karzai, „Rockstar der internationalen Diplomatie“ der ehemalige US-UN-Botschafter Richard Holbrooke.