Berlin. Heute kommt der russische Präsident zum Staatsbesuch nach Deutschland

    In der Weltpolitik findet derzeit ein Ball Paradox statt. Deutschland, von den Vereinigten Staaten jahrzehntelang als strategisch wichtiger Partner umworben, wird plötzlich in Washington zum bündnispolitischen Schmuddelkind. Das Land sei ein „Gefangener“ Russlands, wetterte US-Präsident Donald Trump im Juli. Es importiere zu viel Gas von dem Rohstoff-Giganten im Osten.

    Mit der wachsenden transatlantischen Gereiztheit schaut der Kreml interessiert nach Westen: Die Attraktivität Berlins steigt. An diesem Sonnabend empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den russischen Präsidenten Wladimir Putin im brandenburgischen Schloss Meseberg – es ist das zweite bilaterale Treffen in diesem Jahr. Merkel und Putin telefonieren oft. Daran ändern auch die Sanktionen gegen Russland nichts, an denen die Kanzlerin wegen der Krim-Annexion festhält. Aber in bedeutenden Fragen der internationalen Politik pflegt Merkel eine enge Arbeitsbeziehung mit Putin. Es ist ein punktuelles Zweckbündnis, getragen von Einsicht: Ohne Russland lassen sich keine Fortschritte erzielen.


    Nord Stream 2 Merkel bezeichnet den geplanten Bau der Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland zwar als privatwirtschaftliches Vorhaben. Aber sie unterstützt das vom russischen Konzern Gazprom vorangetriebene Projekt, an dem auch deutsche Energieunternehmen wie die BASF-Tochter Wintershall und Uniper beteiligt sind. Hintergrund: Die westeuropäischen Gasquellen werden bald versiegen, und russisches Gas ist preisgünstig. Viel billiger jedenfalls als das im umstrittenen Fracking-Verfahren gewonnene Flüssiggas, das Trump den Europäern verkaufen will.

    Es gibt allerdings in Europa große Vorbehalte, vor allem in der Ukraine und in Polen. Kiew befürchtet, als Transitland überflüssig zu werden: Für die Gaslieferung zwischen Russland und Europa kassierte die Ukraine pro Jahr Gebühren zwischen zwei und drei Milliarden Dollar. Merkel will, dass Kiew auch in Zukunft im Geschäft bleibt. Der US-Kongress könnte allerdings querschießen. Er hat angekündigt, die Russland-Sanktionen zu verschärfen. Das trifft möglicherweise auch die deutschen Firmen, die bei Nord Stream 2 mit im Boot sind.


    Ukraine-Konflikt Deutschland vermittelt zusammen mit Frankreich in dem festgefahrenen Konflikt zwischen den prorussischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine. Dabei geht es auch um die Frage, ob und wie eine Blauhelmtruppe der Vereinten Nationen einen möglichen Waffenstillstand überwachen könnte. Zunächst erklärte sich Moskau nur bereit, die UN-Soldaten entlang des rund 400 Kilometer langen Frontverlaufs („Kontaktlinie“) im Donbass zu akzeptieren. Zuletzt zeigte sich der Kreml für eine Ausweitung des Einsatzes offen.


    Syrien-Krise Stabilität in Syrien ist oberstes Gebot – auch für die Bundesregierung. Nur so kann das strategische Ziel der Europäer erreicht werden, dass Flüchtlinge in großer Zahl in ihr Heimatland zurückkehren. Russland ist die wichtigste Ordnungsmacht in Syrien. Ende Juli kamen Merkel und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bei einem Geheimtreffen mit Russlands Chefdiplomaten Sergej Lawrow und Generalstabschef Waleri Gerassimow zusammen. Moskau hat dabei zugesichert, dass es israelische Sicherheitsinteressen wahren möchte. Die Russen wollen versuchen, ihren Bündnispartner Iran dazu zu bewegen, sich aus dem Süden Syriens zurückzuziehen. Israel besteht jedoch auf den vollständigen Abzug der Iraner.