Wittenberg/Berlin. Wer vertritt Nordkoreas Diktator in Berlin? Eine Annäherung an den Botschafter Pak Nam-yong

    Wirklich feierliche Stimmung will nicht aufkommen, als Oberbürgermeister Torsten Zugehör und Botschafter Pak Nam-yong nebeneinanderstehen. Der Oberbürgermeister besinnt sich auf das schwere aufgeschlagene Buch, das auf einem Tisch mitten im Raum liegt. Pak Nam-yong setzt sich und schreibt. Seit diesem August also hat das Goldene Buch der Lutherstadt Wittenberg einen Eintrag vom Botschafter Nordkoreas. Er ist auf Seite 83 zu lesen, zehn Seiten hinter Joachim Gauck, und kurz hinter den Botschaftern von Norwegen, Dänemark und El Salvador: „Für die Freundschaft zwischen der Stadt Wittenberg und der DVR Korea.“

    Der nordkoreanische Botschafter Pak Nam-yong wirkt unsicher, nicht in seinem Element. Nordkoreanische Botschafter werden nicht häufig eingeladen zu offiziellen Anlässen oder zu Feierlichkeiten. Seit er in diesem Frühjahr die Stellung als Botschafter angetreten hat, hatte Pak Nam-yong allerdings schon mehr öffentliche Termine als seine Vorgänge. So hat sich Pak Nam-yong schon in das Buch des Bundespräsidenten einschreiben dürfen. Frank-Walter Steinmeier habe ihm dabei noch ausgerichtet, er sehe „Kriegsgefahr auf der Koreanischen Halbinsel“. Das wirkte auf Umstehende damals wenig feierlich, fast wie eine Maßregelung.

    Pak Nam-yong hatte ohnehin keinen leichten Start in Deutschland. Direkt nach seiner Ankunft musste er sich zuerst um die Steuerschulden in Millionenhöhe kümmern, die seine Botschaft in Berlins Zentrum angehäuft hatte. Jahrelang hatte die Botschaft eines ihrer Gebäude als Hostel verpachtet, obwohl es schon wegen der Sanktionen illegal war, Devisen auf diese Art zu erwirtschaften. Pak handelte mit dem Auswärtigen Amt und der Stadt Berlin eine Ratenzahlung aus, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Das „City Hostel“, der Plattenbau direkt neben der Botschaft nicht weit vom Brandenburger Tor, ist allerdings weiter in Betrieb – und gerade in diesem heißen Sommer häufig ausgebucht. Es heißt, ein unterirdischer Geheimgang verbinde das Hostel mit der Botschaft.

    Schon vor zehn Jahren trat Herr Pak sehr leise auf

    Doch wer ist dieser Vertreter Kims in Deutschland? Bei Treffen sagt er wenig und lächelt viel. Bei Interviews lässt er nicht unerwähnt, dass sein Land unter den härtesten Wirtschaftssanktionen der Welt stehe. Doch wenn es um die Gründe dafür geht, wird er stumm.

    Seit 73 Jahren wird das Land von Diktatoren regiert, aktuell von Kim Jong-un, dem dritten Herrscher der Kim-Dynastie. Es gilt als erwiesen, dass rund 200.000 Nordkoreaner in Straflagern leben. Als Inhaftierungsgrund reicht es, beim Musikhören erwischt zu werden oder schlecht über die Kim-Dynastie zu reden. Seit diesem Jahr aber bewegt sich etwas auf der koreanischen Halbinsel: Es gab diplomatische Treffen zwischen Süd- und Nordkorea, das dritte steht in einem Monat an. Außerdem traf sich Kim Jong-un mit US-Präsident Donald Trump. Das Tauwetter, das sich in der Weltpolitik andeutet – Pak verkörpert es in Berlin, wenn auch zurückhaltend, zudem meist abgeschirmt von seinem Botschaftsrat Kim Chol-jun. Der ist zwar eher eine Art Dolmetscher, aber auch ein Sprecher Paks.

    Die südkoreanische Botschaft zeigt sich erfreut über regen Kontakt mit dem nordkoreanischen Kollegen. „Die Nordkoreaner sind doch keine Teufel“, sagt Südkoreas Botschafter Jong Bum-goo. „Sie gehören zur zivilisierten Gesellschaft.“ Er selbst habe Pak Nam-yong zwei Mal treffen können. Das sei nicht zu vergleichen mit früheren Jahren, in denen komplette Funkstille zwischen den beiden Botschaften geherrscht habe. „Beim letzten Treffen trat sogar ein Chor auf“, sagt Jong, „der aus den Kindern der Botschaftsmitarbeiter bestand.“ Das sei einmalig gewesen. Er sehe, dass Pak als Botschafter nur einen begrenzten Spielraum habe, den er aber großzügig nutze.

    Könnte also das Treffen in Wittenberg als weiteres Zeichen der Öffnung verstanden werden? Der Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW) hat schon seit Monaten mit Pak Kontakt. Guenter Weßlau vom BVMW Wittenberg kam auf die Idee, Pak in die Stadt einzuladen, kritische Themen sollten ausgespart bleiben. Oberbürgermeister Zugehör sagt, dass er mit dem Treffen „seine Weltoffenheit zeigen wolle“. Man habe ein Gespräch über mögliche Kooperationen geführt, sagt er, aber er habe auch betont, dass er die Position des Auswärtigen Amtes zu den Sanktionen unterstütze.

    Politisch werde sich Pak wenig äußern. Schon früher war er als Hardliner bekannt. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Botschaft Südkoreas, der noch immer in Berlin lebt, hat Pak schon vor rund zehn Jahren erlebt. Pak Nam-yong habe damals für das Außenministerium Nordkoreas gearbeitet und sei auf Dienstreise in Berlin gewesen. „Auffallend leise“ sei Pak damals aufgetreten, und er habe immer ernst geschaut, auch wenn andere lachten. Er habe ein großes Interesse an moderner Technologie gezeigt und „viele kluge Fragen gestellt“. Wenn er dann doch etwas Politisches gesagt habe, dann sei es auffallend regimetreu gewesen. Wenn man Pak gefragt habe, wie es sonst so gehe, soll er einfach stumm geblieben sein. Wohl auch deshalb ist bis heute nicht bekannt, ob er Familie habe.

    Ähnlich ist es auch nach dem Gespräch mit dem Oberbürgermeister von Wittenberg. Pak steht im Hintergrund, in der Eingangshalle des fast 500 Jahre alten Rathauses. Auf direkte Ansprache antwortet nur Botschaftsrat Kim Chol-jun. Er sagt: „Wir sind hier, um die Möglichkeit zu nutzen, unsere Beziehungen mit Wittenberg zu verbessern.“ Es gebe aber derzeit weder bestimmte Wirtschaftszweige, die der Botschafter im Auge habe, noch konkrete Ideen für eine direkte Zusammenarbeit.

    Das Treffen hat dem Botschafter Pak schon jetzt Ärger eingebracht. Im Auswärtigen Amt wusste man nichts von der Aktion der Wittenberger – und reagierte verschnupft. Das Auswärtige Amt ließ mitteilen, dass nordkoreanische Botschaftsangehörige gehalten seien, „Reisen außerhalb des Gebietes Berlin-Brandenburg vorab dem Auswärtigen Amt zu notifizieren“. Dies sei nicht erfolgt. Weiter heißt es: Das Auswärtige Amt bedauere dies und werde es mit der Botschaft besprechen.

    Guenter Weßlau vom BVMW erzählt, wie sie nach dem Mittagessen zu einem Rundgang durch Wittenberg aufbrachen. „Besonders die 360-Grad-Installation ,Luther 1517‘ schien dem Botschafter zu gefallen.“ Dass die Stadt für die Geburtsstunde der evangelischen Religion steht, habe keine Rolle gespielt. Religion ist in Nordkorea verboten. Botschaftsrat Kim sagte, dass Herr Pak gern wiederkommen würde.