Hamburg/Bodrum.

Kann man angesichts der politischen Situation noch ruhigen Gewissens Urlaub in der Türkei machen? Diese Frage haben 2016 und 2017 viele Deutsche mit „nein“ beantwortet und sind stattdessen in andere Länder ausgewichen, zum Beispiel nach Spanien, Griechenland oder Bulgarien. Doch schon im Frühjahr 2018 konnten Reiseveranstalter wieder starke Zuwachsraten im Türkei-Tourismus verzeichnen. Fremdenführer in Istanbul berichteten jüngst sogar von einer Verdopplung der Gästezahl.

Auch Kathrin Rüter, Sprecherin von Öger Tours, blickt nach langer Durststrecke auf zuletzt gute Monate zurück. Dieser Redaktion sagte sie: „Wir sehen bereits seit Beginn des Jahres eine sehr erfreuliche Erholung der Türkei-Buchungen für die aktuelle Sommersaison – das Land zeigt ein eindrucksvolles Comeback. Auch kurzfristig ist die Türkei, gemäß dem allgemeinen Trend, stark nachgefragt.“ Gründe für die ­Beliebtheit sieht der Veranstalter der Thomas-Cook-Gruppe im „exzellenten Preis-Leistungsverhältnis“ bei Pauschalreisen, aber auch in der Gastfreundschaft der Menschen und dem günstigen Wechselkurs.

Aufgrund der hohen Nachfrage hat Öger Tours seine Flugkapazitäten von Deutschland in die Türkei für diesen Sommer um 25.000 Flugplätze aufgestockt. Für den Herbst werden zudem 6000 zusätzliche Flugplätze nach Antalya an der türkischen Riviera angeboten. Ähnliche Trends hat Branchenriese TUI gemeldet. Dort registrierte man „ein hohes zweistelliges Buchungsplus“, die Türkei sei „wieder ein Favorit deutscher Urlauber“. Die bereits um 100.000 Flugplätze erhöhte Kapazität nach Antalya wurde deshalb für Juli bis Oktober nochmals um 20.000 Sitze erweitert.

Die aktuelle Währungskrise hat für Veranstalterkunden zunächst offenbar keinen starken Effekt, jedenfalls dann nicht, wenn sie wie die große Mehrheit der Urlauber all-inclusive gewählt haben. Viele Flug- und Hotelverträge wurden langfristig abgeschlossen, die meisten Saisonbuchungen sind bereits erfolgt und bezahlt. Susanne Stünckel von TUI bestätigt gegenüber dieser Zeitung: „Für die über 90 Prozent All-inclusive-Gäste macht die aktuelle Lage keinen Unterschied. Wir sehen keine Auswirkungen auf das Buchungsverhalten und erwarten diese auch nicht.“ Das gelte sogar für Urlaub im Sommer 2019, denn selbst hier seien viele Hotelverträge schon unter Dach und Fach gebracht – und zwar in Euro, nicht in Lira.

Vereinzelt kann es jetzt dennoch im Last-minute-Geschäft zu Preisabschlägen kommen – vor allem dann, wenn Urlauber eine instabile Lage fürchten. Oder wenn sie statt einer Pauschalreise einfach Hotel und Flug einzeln und über andere Kanäle buchen. Beim führenden Hotel-Portal Booking.com zum Beispiel liegen immer die Preise in Landeswährung zugrunde. Hier machen sich Schwankungen des Devisenkurses kurzfristig durchaus bemerkbar.

Aus Sorge vor einer nachhaltigen Türkei-Krise haben sich erste Anleger bereits aus Tourismus-Aktien zurückgezogen. Papiere von Anbietern mit Türkei-Geschäft gaben zu Wochenbeginn nach. Zwar sei der massive Wertverfall der Lira prinzipiell gut für Touristen, sagte Marktbeobachter Neil Wilson von Markets.com. Damit steige die Kaufkraft von Besuchern im Land. Doch die Angst vor einem wirtschaftlichen Kollaps überwiege, meinte er. TUI-Papiere büßten in London rund dreieinhalb Prozent ein, die Aktien des Konkurrenten Thomas Cook verloren eineinhalb Prozent. Auch Anteile des Billigfliegers Easyjet, der mehrere Flughäfen in der Türkei ansteuert, gaben um mehr als ein Prozent nach.

Und die Touristen selbst? Sie spüren vor Ort noch keine große Unruhe. Das jedenfalls erklärten mehrere Rückkehrer am Montag im Fernsehsender n-tv. Auch die Hamburger Modedesignerin Ella Deck, die am Sonnabend aus dem Bodrum-Urlaub zurückgekommen ist, berichtet von einer relativ entspannten ­Situation. „Der Lira-Verfall war natürlich ein Straßenthema, die Händler dort zeigten sich aber nicht sonderlich nervös. Man hat lächelnd geraten, jetzt einfach etwas mehr zu kaufen, es sei für uns ja alles noch billiger geworden.“