Ankara/Berlin. Türkischer Präsident wirft Washington „Wirtschaftskrieg“ gegen sein Land vor. Verfall der Lira belastet auch deutsche Banken und Firmen

    Mit großer Nervosität erwarten Politiker, Unternehmer und Verbraucher in der Türkei den Beginn der neuen Handelswoche an diesem Montag. Nach dem dramatischen Absturz der Lira am Freitag, als die türkische Währung binnen eines einzigen Handelstages fast ein Fünftel ihres Außenwerts verlor, rechnen manche Analysten mit einer Erholung. Mehr als eine technische Reaktion wäre das aber wohl nicht. Die Türkei droht in eine Finanzkrise abzurutschen.

    Türkei hat 223 Milliarden Dollar Schulden im Ausland

    Das ist auch für Europa und Deutschland nicht ungefährlich. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Betrieben seines Landes jahrelang milliardenschwere öffentliche Aufträge verschafft. Die Wirtschaft lief auf Hochtouren. Immer mehr ausländisches Kapital strömte in die Türkei. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich steht die Türkei mit 223 Milliarden Dollar bei ausländischen Geldgebern in der Kreide, vor allem aus Südeuropa. Allein spanische Institute haben der Türkei mehr als 80 Milliarden Dollar geliehen. Deutsche Banken machten laut Bundesbank rund 21 Milliarden Dollar locker. Sollten jedoch südeuropäische Institute ins Schlingern geraten, wären auch deutsche Geldhäuser betroffen – sie haben sich in Südeuropa stark engagiert.

    Das Problem: Viele türkische Firmen haben Kredite in harter Währung – Dollar oder Euro – aufgenommen. Da die Lira immer weiter fällt, müssen sie immer tiefer in die Tasche greifen, um die Schulden zu begleichen. Einige Unternehmen könnte dies in die Zahlungsunfähigkeit treiben, befürchten Experten. Befördert wurde die Talfahrt der Lira auch durch die Erhöhung der amerikanischen Leitzinsen. Dieser Schritt erfolgte, weil die US-Konjunktur unter Dampf steht und die Zentralbank die damit einhergehende Inflation durch höhere Zinsen dämpfen will. Auch die deutsche Export-Industrie leidet unter dem Verfall der Lira. Wenn die türkische Währung billiger wird, wird der Euro entsprechend höher bewertet. Ein höherer Euro verteuert aber die Ausfuhren in die Türkei. In das Land am Bosporus gingen 2017 rund 22 Milliarden Euro der deutschen Exporte: Damit steht die Türkei auf Rang 16 aller deutschen Ausfuhrpartner.

    Inmitten der massiven Währungskrise griff Präsident Erdogan den Nato-Partner USA erneut heftig an. „Ihr versucht, 81 Millionen Türken für einen Pastor zu opfern“, sagte er am Sonntag, ohne die USA direkt zu erwähnen, in der Stadt Trabzon. „Aber wir haben euer Spiel durchschaut und wir fordern euch heraus.“ Was die USA mit Provokation nicht erreicht hätten, versuchten sie nun mit Geldpolitik zu erreichen, sagte Erdogan. Es sei „ganz klar ein Wirtschaftskrieg“. Die beiden Länder streiten über den US-Pastor Andrew Brunson, der wegen Terror-Vorwürfen in der Türkei festgesetzt ist. Von diesem Montag an werden die US-Zölle auf Stahl aus der Türkei verdoppelt. Die türkische Landeswährung Lira brach unter anderem daraufhin ein. Insgesamt hat die Währung seit Jahresbeginn zum Dollar mehr als 70 Prozent an Wert verloren, zum Euro rund 61 Prozent.

    „Wieder sehen wir uns einer politischen und heimtückischen Verschwörung gegenüber, aber so Gott will, werden wir auch diese überwinden“, sagte Erdogan. Eine Intervention des Internationalen Währungsfonds (IWF), den viele Beobachter anregen, lehnte er ab. „Wir wissen sehr gut, dass die, die uns ein Geschäft mit dem IWF vorschlagen, uns eigentlich vorschlagen, die politische Unabhängigkeit unsere Landes aufzugeben“, sagte er. Wie in früheren Reden forderte er die Türken auf, Dollar und Euro in Lira umzutauschen.

    In einem am Sonnabend veröffentlichten Gastbeitrag für die „New York Times“ warf Erdogan den USA „Respektlosigkeit“ vor und droht Washington mit einem Ende der Partnerschaft. Hintergrund hierfür ist auch der Streit um den im US-Exil lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen. Erdogan macht seinen ehemaligen Weggefährten für den gescheiterten Putschversuch am 15. Juli 2016 verantwortlich. Ankara bemüht sich bisher vergeblich um Gülens Auslieferung. Die USA hätten es „wiederholt und anhaltend versäumt, die Besorgnisse der türkischen Bevölkerung zu verstehen und zu respektieren“, so Erdogan. Wenn es dabei bleibe, werde sich die Türkei „auf die Suche nach neuen Freunden und Verbündeten machen“, schrieb der türkische Staatschef.

    Bereits am Freitag hatte Erdogan mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Dabei ging es um eine engere Zusammenarbeit in der Energie- und Rüstungspolitik.