Bukarest. In Bukarest und anderen Städten weiten sich die Proteste gegen die Regierung aus. Mehr als 450 Verletzte bei Zusammenstößen mit Polizei

    Wenn Rumänien am 1. Januar 2019 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, wartet auf die Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dancila ein Berg an schwierigen Aufgaben. Es gilt, ein weiteres Auseinanderdriften Europas zu verhindern. Doch momentan muss die Regierungschefin erst einmal eine schwere Krise in ihrem eigenen Land lösen. Seit Monaten demonstrieren die Rumänen gegen Dancilas Regierung. Der Vorwurf: Diese wolle den Rechtsstaat demontieren, um korrupte Politiker zu schützen. Nun sind die Proteste erstmals eskaliert.

    Am Wochenende gingen in der Hauptstadt Bukarest und in zahlreichen weiteren Städten Zehntausende auf die Straße. Lautstark riefen sie Parolen wie „Gerechtigkeit statt Korruption!“, „Schande!“ und „Wir gehen erst, wenn ihr gegangen seid!“. Die Demonstrationen wurden überschattet von schwerer Gewalt. In Bukarest wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei am Freitagabend nach Angaben der Nachrichtenagentur Mediafax 452 Menschen verletzt, unter ihnen 35 Polizisten.

    Die Demonstranten forderten den Rücktritt der von den Sozialdemokraten (PSD) geführten Regierung. Außerdem verlangten sie die Rücknahme jüngst beschlossener Gesetze, die prominente Politiker vor Strafverfolgung wegen Korruption schützen sollen. Außer in Bukarest, wo mindestens 20.000 Menschen auf die Straße gingen, protestierten Tausende in Städten wie Timisoara (Temeswar), Sibiu (Hermannstadt), Brasov (Kronstadt), Cluj-Napoca und Iasi. Weitere Kundgebungen am Sonnabendabend verliefen friedlich.

    Erst Anfang Juli war die angesehene Sonderstaatsanwältin Laura Kövesi auf Betreiben der Regierung entlassen worden. Kövesi hatte zahlreiche Politiker der Korruption überführt und ins Gefängnis gebracht. Dancila gilt wiederum als Marionette des PSD-Vorsitzenden Liviu Dragnea. Er kann derzeit nicht selbst Ministerpräsident werden, weil er wegen der Manipulation von Wahlen vorbestraft ist, kontrolliert aber die Regierung.

    Seit Februar 2017, als die PSD-Regierung mit einer ersten Eilverordnung die Korruptionsbekämpfung erschweren wollte, gehen die Rumänen immer wieder in großer Zahl auf die Straße. Erstmals kam es nun durch vermummte, gewaltbereite Demonstranten zu gewalttätigen Auswüchsen. Ein paar Dutzend Vermummte versuchten am Freitagabend, den Regierungssitz in Bukarest zu stürmen – die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken, den auch eine große Zahl friedlicher Demonstranten zu spüren bekam. Die Polizei nahm 33 Personen vorläufig fest. Für zwei von ihnen beantragte die Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft.

    Der Vorsitzende der oppositionellen Mitte-rechts-Partei PNL, Ludovic Orban, warf der Regierungspartei PSD vor, gewalttätige Provokateure unter die Demonstranten eingeschleust zu haben, um Letztere zu diskreditieren.