Berlin.

Wer per Post wählt, ist sich seiner Sache sicher – und das meistens schon eine Weile vor dem Wahltag. Wie eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zeigt, die dieser Redaktion vorliegt, wählt ein Viertel der Briefwähler nach eigenen Angaben immer dieselbe Partei. Unter Urnenwählern liegt der Anteil nur bei rund einem Fünftel. Zudem sind sich Briefwähler häufiger schon länger vor der Wahl sicher, wen sie wählen. Unter den 2719 Menschen, die im Auftrag der KAS befragt wurden, sagten sie seltener, dass sie zwischen Parteien geschwankt hätten oder ihnen die Entscheidung bei der Wahl im September besonders schwer gefallen sei.

Die Gruppe der Wähler, die nicht ins Wahllokal gehen, wächst: In den vergangenen 24 Jahren hat sich der Anteil der Briefwähler laut Bundeswahlleiter verdoppelt, von 13,4 Prozent 1994 auf 28,6 Prozent bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst. Vor allem Menschen zwischen 30 und 39 Jahren und über 70 Jahren sind es, die diese Möglichkeit für sich nutzen. Weil es bequemer ist, aber auch aus Zeitmangel: Sechs von zehn befragten Briefwählern sagten, sie hätten schon vorher gewusst, dass sie am Wahltag keine Zeit haben würden.

In den meisten Fällen verteilen sich die Stimmen unter den Briefwählern ähnlich wie an der Urne, doch kleine Differenzen gibt es. Hätte nur diese Gruppe über die Zusammensetzung des Bundestags entscheiden, hätte davon vor allem die Union profitiert. Die CDU gewann unter Briefwählern 1,6 Prozent mehr Stimmen als im Wahllokal, die CSU sogar 3,3. Auch Grüne und FDP haben unter Briefwählern etwas mehr Anhänger als unter allen Wählern. SPD und AfD liegen dagegen in dieser Gruppe unter ihrem gesamten Wahlergebnis: Nur 9,6 Prozent von Briefwählern entschieden sich laut Studie für die AfD (verglichen mit 13,9 Prozent an der Urne), für die SPD 19,4 Prozent (verglichen mit 21,0 Prozent).

Dabei hatten bei der vergangenen Wahl viele Menschen Schwierigkeiten, sich für eine der antretenden Parteien zu entscheiden. 45 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sechs Wochen vor der Wahl noch schwankten, wem sie ihre Stimme geben sollen. Ein Drittel der Befragten sagte, dieses Mal sei die Entscheidung ihnen schwerer gefallen als bei vorherigen Wahlen. Vor diesem Problem standen dabei nicht nur klassische Wechselwähler, sagt Sabine Pokorny von der KAS. „Gut ein Drittel der Stammwähler hat angegeben, dass sie in den letzten sechs Wochen vor der Wahl geschwankt haben, wen sie denn jetzt wählen wollen“, so die Sozialforscherin.

Wer sich entscheidet, lange vor dem eigentlichen Wahltag per Brief zu wählen, gibt dabei bewusst die Möglichkeit auf, kurzfristig seine Meinung zu ändern. „Man kann seine Stimme nicht mehr zurückholen, wenn man sie einmal abgeschickt hat“, gibt Bundeswahlleiter Georg Thiel zu bedenken. „Das ist potenziell problematisch, zum Beispiel wenn kurz vor der Wahl noch etwas Entscheidendes, Unerwartetes passiert.“ Gibt ein sehr großer Teil der Wähler seine Stimme per Brief ab, könnte das bei unvorhergesehenen Ereignissen zum Problem werden. Beim aktuellen Anteil der Briefwähler sieht Thiel diese Gefahr noch nicht. „Aber wenn die Zahl weiter steigt, muss man sicherlich noch einmal darüber reden, ob die Grenze überschritten ist“, sagt er. „Letztendlich müssen Gesetzgeber und Gerichte entscheiden, wo diese Grenze liegt.“

Gefragt wurde in der Studie auch ob die Teilnehmer einen Politiker nennen könnten, den sie gern privat kennenlernen würden. 13 Prozent nannten dabei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), vier Prozent Martin Schulz (SPD). Die mit Abstand größte Gruppe war allerdings mit 44 Prozent die derjenigen, die keinen Politiker privat kennenlernen möchte. Pokorny erklärt das damit, dass viele Menschen nicht das Gefühl haben, dass Politik direkte Auswirkungen auf ihr Leben hat: „Nicht einmal ein Drittel der Leute, die wir befragt haben, sagt, sie sind in ihrem Alltag von Politik betroffen“, sagt die Forscherin. „Da liegt es nahe, dass auch einzelne Politiker den Wählern nicht unbedingt sehr wichtig sind.“ Trotzdem würden Menschen das Personal von Parteien bei ihrer Entscheidung bedenken.