Washington. Rechtsanwalt Michael Cohen, einst wichtigster Ausputzer für den US-Präsidenten, belastet seinen Ex-Boss in der Russland-Affäre schwer

    Als Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde, träumte Michael Dean Cohen einen großen Traum. Zehn Jahre lang war der oft wie ein beim Lutscher-Klauen erwischter Bengel dreinschauende Long Isländer bis dahin aus dem Kraftzentrum des Clinton-Bezwingers nicht wegzudecken gewesen. Als Mann fürs Grobe, als „Fixer“, wie nicht zimperliche Problemlöser in Amerika seit Al Capone genannt werden, schaffte der 51-Jährige, auf dessen Visitenkarte bis vor Kurzem „persönlicher Anwalt von Donald J. Trump“ stand, seinem Boss allerlei Unannehmlichkeiten vom Hals. Mal mit dem Gesetz- und Scheckbuch, wie im Fall des Porno-Stars Stormy Daniels, die nach einer Sex-Affäre mit Trump mit 130.000 Dollar zum Schweigen gebracht werden sollte. Mal, wie informierte Kreise in New York wissen, auch mit der Androhung von physischen wie psychischen Konsequenzen.

    Cohen = Trumps Pitbull. Die Gleichung hat sich der zweifache Familienvater, dessen Frau ukrainische Wurzeln hat, selbst zuzuschreiben. „Wenn einer etwas tut, dass Mr. Trump nicht gefällt, tue ich alles, was in meiner Macht steht, um es im Sinne Mr. Trumps zu erledigen“, sagte Cohen einmal.

    Für so eine Kapazität, dachte sich der jüdische Sohn eines Holocaust-Überlebenden, müsste doch gewiss Platz sein in der neuen Regierung, und er sah sich bereits an den Schlüsselstellen der Macht. Denkfehler. Der Mann, für den Cohen regelmäßig ins Unterholz der Geschäftswelt hinabstieg, überging seinen loyalsten Vertrauten ganz kühl.

    Rückblickend könnte in dieser Nichtberücksichtigung das Zerwürfnis begründet sein, das seit Tagen das politische Washington in Erstaunen versetzt. Um seinen Ruf vor der vollständigen Zerstörung zu retten, hat der von Sonderermittler Robert Mueller in der Russland-Affäre aufs Korn genommene Cohen seinem einstigen Herrn und Meister den Fehdehandschuh hingeworfen. Cohens Anwalt Lanny Davis übergab dem von Trump gehassten TV-Kanal CNN das Audio-Band des durch eine FBI-Razzia in den Besitz der Justiz gelangten Mitschnitts eines Gesprächs, das Cohen zwei Monate vor der Präsidentenwahl 2016 mit Trump geführt und heimlich aufgenommen hatte. Thema: Schweigezahlungen an das frühere „Playboy“-Model Karen McDougal, mit der Trump kurz nach seiner Heirat mit Melania Trump ebenfalls außerehelich verkehrt haben soll.

    Beim Lauschen kann man den Eindruck gewinnen, dass Trump (der sowohl die Affäre als auch die Vertuschung derselben mittels Geld leugnet) dafür wirbt, die Angelegenheit zwecks Spurenvermeidung mit Bargeld aus der Welt zu schaffen. Trumps Anwalt Rudy Giuliani behauptet das Gegenteil und spricht Cohen „jede Glaubwürdigkeit“ ab, nachdem er ihn noch im Mai in den höchsten Tönen gelobt hat. Was aber fast zweitrangig ist, wenn man Davis aufmerksam zuhört. Demnach gibt es viele weitere Bänder von Gesprächen, mit denen Cohen demnächst zeigen werde, „was er gehört und gesehen hat“. Und nein, im Falle einer Verurteilung werde sein Mandant keine Begnadigung durch den Präsidenten erbitten.

    Mit anderen Worten: Michael Cohen baut sich zum Kronzeugen auf, der, um das eigene Strafmaß zu senken, seinen früheren Boss über die Klinge springen lassen will. Weil es unter Ermittlern und Beobachtern Allgemeingut ist, dass niemand so detailliert über Trumps Finanzen, Geschäftskontakte und Abhängigkeiten im Bild ist wie Cohen, ist ein Erdbeben nicht auszuschließen – sollte der als Sohn eines Arztes und einer Krankenschwester geborene Absolvent der dubios beleumundeten WMU-Cooley Law School wirklich auspacken.

    Cohen gibt sein Wissen wohl dosiert preis

    Zwei Beispiele: Cohen machte seine Nähe zu Trump zu Geld und kassierte etwa von einer Firma mit Verbindungen zum russischen Oligarchen Viktor Wekselberg sechsstellige Honorare – was weiß er über die nach dem Gipfel von Helsinki auf Hochtouren laufende Debatte über die seltsame Putin-Trump-Liaison? Und: Als der reiche Trump-Spender Elliott Brody außerehelich ein Kind zeugte, fädelte Cohen ein Schweigegeld von 1,6 Millionen Dollar für das frühere „Playboy“-Model ein – sind auch an weitere Damen Summen geflossen, von denen der Präsident weiß?

    Cohen setzt sein Herrschaftswissen mit fein dosierten Stinkbomben ein. Bei der jüngsten hält sich der Gestank hartnäckig. Danach hat Trump im Vorfeld davon gewusst, dass sein Sohn Donald Trump Jr. sich im Sommer 2016 in New York mit einer Kreml-nahen russischen Anwältin traf, die schmutzige Infos über Hillary Clinton durchstechen wollte. Wäre das beweisbar, steckte der Präsident in „argen Schwierigkeiten“, schreibt das Magazin „Politico“, „es riecht nach verbotenen Absprachen“. Wie nicht anders zu erwarten, dementierte der Präsident. „Damit die Lügenpresse nicht mit dummen Fragen meine Zeit verschwendet“, twitterte Trump am Wochenende, „nein, ich wusste nichts von dem Treffen mit meinem Sohn Don Jr.“ Gleichwohl sagen viele Kommentoren, dass Trump sich in Acht nehmen müsse. „Michael Cohen, der Wachhund von einst, geht auf sein Herrchen los.“