Islamabad.

Während seine Gegner angesichts der mysteriösen und mit „technischen Problemen“ nur unzureichend erklärten Verspätungen bei der Auszählung der Stimmen noch lautstark protestierten, rief sich der ehemalige Kricket-Star Imran Khan noch vor der Verkündung der offiziellen Resultate zum Sieger der Parlamentswahlen aus. „Gott hat mir die Chance gegeben, meinen Traum wahr werden zu lassen“, sagte der Vorsitzende der Bewegung für Gerechtigkeit (Tehreek-e Insaf/PTI) in einer Fernsehansprache. „Ich werde nicht wie ein König leben“, versicherte Khan, der die Wahl die freiste in der Geschichte des Landes nannte.

Die bisher regierende Muslimliga von Ex-Ministerpräsident Nawaz Sharif, der wegen Korruption in Haft ist, ist abgeschlagen. Nach bisherigen Ergebnissen bekommt Khans PTI 113 der 272 allgemein zu wählenden Parlamentssitze. Die Nationalversammlung des 200 Millionen Einwohner zählenden Landes hat zudem 60 reservierte Sitze für Frauen und zehn für religiöse Minderheiten.

Seit 20 Jahren versucht sich der ehemalige Playboy und Kricket-Star auf Pakistans politischem Parkett. Nun gelang ihm im dritten Anlauf endlich der langersehnte Sieg. Der Grund, so glauben viele Pakistaner, liegt in einer speziellen Beziehung: Imran Khan gilt als „Laadla“, als Lieblingsjunge der mächtigen Generäle des Landes. Der zukünftige Regierungschef hegt keine Einwände gegen dieses Image. „Der Oberkommandierende, General Qamar Javed Bajwa, ist wahrscheinlich der demokratischste Offizier, den wir je gesehen haben“, sagte der 65-jährige Khan wenige Tage vor den Wahlen.

Sollte er an die Umsetzung seines ehrgeizigen Plans gehen, dürfte das innige Verhältnis freilich bald zu den kurzzeitigen Lebensabschnittspartnerschaften zählen, die Khans Verhältnis zu Frauen kennzeichneten. Imran Khan will in Pakistan das Primat der zivilen Politik über die Militärs etablieren – ein Vorhaben, das allen seinen demokratisch gewählten Vorgängern den Laufpass seitens der Militärs bescherte.

Khan sieht sich freilich als Mann mit großem Charisma und ist entschlossen, in die Fußstapfen von zwei umstrittenen Populisten zu treten. Ein Idol ist ausgerechnet Zulfikar Bhutto, der von 1971 bis 1973 erst als Präsident und dann von 1973 bis 1977 als Premierminister Pakistans diente. 1977 ließen die Generäle den Gründer der „Pakistan Peoples Party“ (PPP) am Galgen hängen. Khans zweites Vorbild ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der die jahrzehntelange politische Vormacht der Generäle in seinem Land brach.

Dabei ist Imran Khan kein Träumer. Er bewies nach dem Ende seiner sportlichen Karriere, dass er anpacken kann. Er sammelte insgesamt 25 Millionen Dollar, um in seiner Geburtsstadt Lahore ein Krebskrankenhaus aus dem ­Boden zu stampfen. Die Shaukat Khanum Klinik, benannt nach seiner an Krebs gestorbenen Mutter, gilt als eines der besten Hospitäler des Landes.

Zunächst muss der Ex-Sportler, der noch nie ein Regierungsamt innehatte, sich mit einem Teilsieg abfinden. Seine PTI wurde zwar stärkste Gruppierung in der Nationalversammlung. Aber sie ist weit von der absoluten Mehrheit entfernt. Imran Khan muss Bündnispartner suchen, bevor er an die Erfüllung seiner Wahlversprechen gehen kann.

Khan stammt aus der Punjab-Provinz, die Pakistan ökonomisch dominiert und den größten Teil der Generäle bei den mächtigen Streitkräften stellt. Seine Vorfahren sind Paschtunen, und er ist der erste Politiker in der Geschichte des Landes, der nicht in einer der Dynastien verwurzelt ist, die – abgesehen von den Militärdiktaturen – seit Jahrzehnten die politische Bühne der Atommacht Pakistan dominieren.

Allianzen mit den Parteien dieser Clans lehnte er im Wahlkampf ab. So bleiben Khan Pakistans religiöse Parteien, Unabhängige und kleine Gruppierungen als Partner. Der Nachteil: Imran Khan, der nicht als Freund von Kompromissen gilt, macht sich politisch erpressbar. Dabei steht Pakistan vor großen Herausforderungen. Trotz enger werdender Verbindungen zum großen Nachbarn China droht eine Zahlungskrise. Die Währungsreserven reichen noch sechs Wochen. Möglicherweise muss Khan sich hilfesuchend an den Weltwährungsfonds (IWF) wenden. In der Wirtschaftspolitik schweben dem Team der früheren Sportskanone Reformen vor, die an Methoden von Hedgefonds erinnern. Staatliche Unternehmen sollen in großem Stil privatisiert werden. In einem Land, in dem laut der Weltbank 45 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren wegen Unterernährung ein verkümmertes Wachstum aufweisen, ist großer Widerstand gegen solche Wirtschaftsreformen programmiert.

Ein Selbstmordanschlag während der Wahl in Quetta am Mittwoch warf ein Schlaglicht auf die sozialen Spannungen in dem Land zwischen Iran, Afghanistan und Indien. Das seit Jahrzehnten mit der Atommacht Indien verfeindete Pakistan besitzt ebenfalls Atomwaffen. Im Land selbst verüben außerdem immer wieder radikalislamische Extremisten Anschläge. Das Grenzgebiet zu Afghanistan ist zu großen Teilen nicht unter Kontrolle der Regierung und bietet Extremisten aus beiden Staaten Unterschlupf.