Brüssel/Madrid .

Ende einer dramatischen Rettung, die große Wellen schlägt: Josefa aus Kamerun, die am Dienstag von spanischen Helfern aus dem Meer gezogen worden war, kam am Sonnabend mit dem Rettungsschiff „Open Arms“ auf Mallorca an. Die 40-Jährige war nach ihrem stundenlangen Überlebenskampf im Wasser immer noch schwach und musste zu einem Krankenwagen getragen werden. Die Fotos von der im letzten Moment geretteten Frau waren in den vergangenen Tagen um die Welt gegangen.

Während Josefa in einem Krankenhaus versorgt wurde, erhoben ihre Retter von der Hilfsorganisation „Proactiva Open Arms“ schwere Vorwürfe. Die libysche Küstenwache habe die Frau und mindestens zwei weitere Flüchtlinge im Meer zurückgelassen, weil sie sich geweigert hätten, nach Libyen zurückgebracht zu werden. Ihr Boot sei versenkt worden. Josefa überlebte, weil sie sich an ein Stück Holz klammern konnte, eine Frau und ein kleiner Junge ertranken. Die Retter haben Strafanzeige gegen Libyen und Italiens Küstenwache wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung gestellt.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die dramatische Lage im Mittelmeer, die sich durch den rigiden Kurs der italienischen Regierung zuspitzt. Rom erschwert dabei nun auch die Rettung von Flüchtlingen durch die sechs Schiffe der EU-Mission „Sophia“, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist. Der Militäreinsatz läuft nach einem diplomatischen Tauziehen entgegen anderslautender Berichte weiter, wird nach einer Blockadedrohung aus Rom aber überprüft. Die EU-Schiffe unter italienischem Kommando sind eigentlich zum Kampf gegen die Schleuserkriminalität vor der libyschen Küste unterwegs, sie nahmen aber seit 2015 auch rund 49.000 in Seenot geratene Flüchtlinge auf und brachten sie in italienische Häfen.

Doch Italien will diese Menschen nicht mehr aufnehmen, Anfang der Woche drohte die Regierung der EU-Kommission schriftlich, italienische Häfen für „Sophia“-Schiffe zu sperren. Das Entsetzen ist groß: „Dass Italien nicht einmal Schiffe einer gemeinsamen offiziellen, auf Bitten Italiens eingerichteten und verstärkten Mission einlaufen lassen will, wenn sie Flüchtlinge an Bord haben, ist der Tiefpunkt der Menschlichkeit“, sagte der EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU) dieser Zeitung. „Es ist ausdrücklich Bestandteil des Auftrags der Mission ,Sophia‘, auch Menschenleben zu retten – man darf die Flüchtlinge nicht ertrinken lassen.“

Während in Brüssel Vermittlungsbemühungen auf Hochtouren liefen, erhielten die Schiffsbesatzungen der „Sophia“-Mission das Kommando, sich vorsichtshalber vorübergehend aus dem Einsatzgebiet zurückzuziehen. Vertreter der EU-Staaten einigten sich nach Informationen dieser Zeitung am Freitagabend in einer Marathon-Krisensitzung mit Zustimmung Italiens darauf, „dass der Operationsplan Bestand hat“. Möglichst bis Ende August soll aber eine Lösung zum Umgang mit den Bootsflüchtlingen vereinbart werden.

Josefa hat wahrscheinlich gute Chancen, in Spanien bleiben zu dürfen. Da weibliche Flüchtlinge in Spanien als besonders schutzbedürftig gelten und ihr Fall inzwischen weltweit Schlagzeilen machte, muss die 40-Jährige wohl nicht mit einer Abschiebung rechnen.

In einem eindringlichen Appell rief am Sonntag Papst Franziskus die internationale Gemeinschaft dazu auf, Flüchtlingstragödien im Mittelmeer zu verhindern. Er forderte ein entschiedenes Handeln, damit sich die „dramatischen Nachrichten der vergangenen Wochen über verunglückte, mit Migranten beladene Boote in den Gewässern des Mittelmeeres nicht wiederholen“.