Washington.

John Brennan (CIA), James Clapper (oberster Geheimdienst-Koordinator) und Michael Rogers (NSA) – die Männer, die am 6. Januar 2017 zu Donald Trump kamen, um ihm zwei Wochen vor Amtsantritt belegt mit topgeheimen E-Mails und SMS-Botschaften Missetaten Russlands darzulegen –, ließen keinen Zweifel: Die Manipulationsversuche und Cyber-Dieb­stähle Moskaus während der US-Präsidentenwahlen 2016 waren von Präsident Wladimir Putin selbst angeordnet worden. Eine russische Quelle, die im engsten Umfeld des Kremlchefs angesiedelt war, hatte sich gegenüber der CIA offenbart. Trump, so schreibt die „New York Times“ am Donnerstag unter Berufung auf Ohrenzeugen, habe „widerwillig überzeugt geklungen“.

Seither sind 18 Monate vergangen, in denen der US-Präsident nahezu alles unternommen hat, um den einhelligen Befund seiner Sicherheitsorgane in Zweifel zu ziehen oder zu leugnen. Vorläufiger Höhepunkt war Trumps zwischen Anbiederung und Appeasement schwankender Kurs gegenüber Putin beim Treffen in Helsinki. Auch fünf Tage später kochen in den USA die Gemüter darüber hoch. Unterdessen taumelt Trump von einem widersprüchlichen Erklärungsversuch in den anderen.

Dass die „New York Times“ die Existenz einer Top-Quelle im innersten Zirkel Putins öffentlich machte, hat in Washington für Aufregung gesorgt. Experten vermuten, dass Trump Putin in dem Vier-Augen-Gespräch in Helsinki von seinem Herrschaftswissen berichtet hat. Dies könne für den verdeckten US-Zuträger „akute Lebensgefahr“ bedeuten.

Aber das ist nicht der einzige Grund, warum namhafte demokratische und einige republikanische Kongressabgeordnete verlangen, die einzige Person, die auf US-Seite beim Privatissimum der Staatschefs dabei war, unverzüglich einer Anhörung zu unterziehen: Marina Gross. Die Trump vom US-Außenministerium an die Seite gestellte Übersetzerin, eine erfahrene Expertin, die schon für die Regierung von George W. Bush gedolmetscht hat, soll Licht in das mit jedem Tag größer werdende Dunkel bringen.

Jüngstes Beispiel: Anatoli Antonow, Moskaus Botschafter in Washington, gab bekannt, dass Trump und Putin in Helsinki „wichtige verbale Vereinbarungen“ getroffen hätten, die etwa delikate Baustellen wie Syrien oder die atomare Abrüstung beträfen. Ob das stimmt, weiß niemand. Weder das Weiße Haus noch der Kreml haben bisher konkrete Ergebnisse verlauten lassen. Aber bereits das, was Trumps Sprecherin Sarah Sanders – wie immer spitz und ausweichend – bisher einräumte, hat in diplomatischen Zirkeln der US-Hauptstadt Schockwellen ausgelöst.

Es geht um den von Putin persönlich vorgebrachten Vorschlag, US-Ermittler könnten in Moskau russischen Beschuldigten in der Affäre um illegale Wahleinmischung (meddling) und verbotene Zusammenarbeit mit Team Trump (collusion) auf den Zahn fühlen – wenn umgekehrt russische Fahnder in Washington „illegale Aktivitäten“ diverser Amerikaner untersuchen dürften, bis zur Anklage. Darunter wären aus Putins Sicht der frühere US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, und der ehemalige US-Investor und Putin-Kritiker Bill Browder, der in Abwesenheit in Russland 2013 zu neun Jahren Haft verurteilt worden war. Das Außenministerium, geführt von Trump-Intimus Pompeo, hat die Idee bereits offiziell begraben. Auch FBI-Chef Christopher Wray hält den Vorschlag für absurd. Allein, Trump hat noch nicht entschieden. In Helsinki nannte er die Idee „unglaublich“ (im Sinne von toll). Am Donnerstagabend sagte Regierungssprecherin Sanders, der Präsident sei nicht mehr mit dem Vorschlag „einverstanden“. Russische Angeklagte sollten in den USA ihre Unschuld (oder Schuld) beweisen. Insider schließen trotzdem nicht aus, dass Trump ein „Geschäft auf Gegenseitigkeit“ mit Putin im Kopf hat.

Am Abend kündigte Trump über den Kurznachrichtendienst Twitter ein weiteres Treffen mit Putin an. Es soll im Herbst in Washington stattfinden.