Berlin.

Um überflüssige Besuche in der Notaufnahme von Krankenhäusern zu verhindern, will der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, notfalls eine Gebühr von den Patienten verlangen. „Eine finanzielle Steuerung wäre genau der Hebel, der helfen würde. In vielen anderen Ländern Europas ist so etwas längst üblich“, sagte Gassen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Damit unterstützt er einen Vorschlag der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Deren Vorstandschef Mark Barjenbruch hatte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ gesagt: „Ich kann mir 50 Euro pro Patient vorstellen.“ Wenn 90 Prozent der Patienten in der Notaufnahme keine Notfälle seien, müsse das eine Option sein.

Auch Gassen erklärte: „Wenn sich bestimmte Patienten dem Angebot der niedergelassenen Ärzte dauerhaft entziehen und das System nach Gusto nutzen, wie es ihnen gerade einfällt, muss das finanzielle Sanktionen nach sich ziehen.“ Gassens Ansicht nach gehört der Großteil der Patienten, der in die Notaufnahme kommt, nicht dorthin. „Ziel muss sein, dass wir nur noch diejenigen in den Notaufnahmen haben, die später auch stationär behandelt werden müssen“, betonte Gassen. Alle anderen müssten ambulant versorgt werden.

Die KBV versuchte am Montag, dem Eindruck entgegenzutreten, dass der Besuch einer Notaufnahme schon bald gebührenpflichtig werden könnte. „Wir wollen Notfallpatienten nicht zur Kasse bitten“, versicherte eine KBV-Sprecherin am Montag in Berlin. Bei Patienten, die zur Notaufnahme kommen, obwohl sie auch eine reguläre Arztpraxis aufsuchen könnten, wäre eine Gebühr aber als letzte Möglichkeit denkbar, räumte die Sprecherin ein, betonte aber: „So weit sind wir noch gar nicht.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert die Vorschläge. „Mit einem Trommelfeuer versuchen die Kassenärzte, von ihrem eigenen Versagen abzulenken“, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch. Tatsächlich würden Hausbesuche immer mehr heruntergefahren und Öffnungszeiten der Praxen eigenmächtig gekürzt, während das Milliardenbudget dafür von Jahr zu Jahr steige. Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sprachen von einer „merkwürdigen Idee“. „Erst kümmern sich die Kassenärztlichen Vereinigungen jahrelang nicht ordentlich um den Bereitschaftsdienst in der Nacht, an den Abenden und den Wochenenden, und jetzt, wo die kranken Menschen die Kliniken aufsuchen, will der Chef der Kassenärzte sie dafür mit Zusatzkosten bestrafen“, sagte ein Sprecher.

Eine weitere Neuerung für Mitglieder gesetzlicher Krankenversicherungen plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Sie sollen spätestens ab 2021 auch per Handy und Tablet ihre Patientendaten einsehen können. Entsprechende Vorgaben wolle er den gesetzlichen Krankenversicherungen noch diesen Monat machen, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. „Das ist nicht das Ende der elektronischen Gesundheitskarte, aber eine zusätzliche, patientenfreundliche Option“, sagte Spahn der Zeitung.

Nach jahrelangem Gezerre um zusätzliche Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte will die Bundesregierung bei der Digitalisierung vorankommen. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, bis 2021 eine elektronische Patientenakte einzuführen.

Spahn wolle auch die Zugänge und Authentifizierungsverfahren für die elektronische Patientenakte erweitern: Der Versicherte selbst soll wie beim Online-Banking mit PIN und TAN einfacheren Zugriff auf seine eigenen Daten bekommen. Bislang ist es strittig, ob die Daten auf Wunsch der Versicherten überhaupt elektronisch übermittelt werden dürfen. Das wolle Spahn nun ändern.