Washington.

Die erzkatholische Gemeinde „Shrine of the Most Blessed Sacrament“ im Washingtoner Stadtteil Chevy Chase hat es nicht einfach. Ihre Kirche liegt im Epizentrum des linksliberalen Bürgertums der US-Hauptstadt. Da, wo 95 Prozent bei der Präsidentenwahl 2016 für die Demokratin Hillary Clinton gestimmt haben. Da, wo Vizepräsident Mike Pence von Dutzenden Nachbarn wegen seiner Anti-Schwulen-Haltung mit Regenbogenfahnen und Demonstrationen begrüßt wurde. Das könnte Brett Kavanaugh, der im Gotteshaus an der Quesada-Straße nicht nur sonntags ein und aus geht, auch bevorstehen. Präsident Donald Trump will mit dem 53-Jährigen nach Neil Gorsuch einen zweiten juristischen Coup mit Ewigkeitswert landen.

Nach dem Rücktritt des einflussreichen Anthony Kennedy (81) wird Kavanaugh – so er das bevorstehende Spießrutenlaufen im Senat besteht – ab Herbst auf Lebenszeit am Obersten Gerichtshof Recht sprechen. Die wichtigste Streitschlichtungsinstanz Amerikas wird dadurch ideologisch weiter nach rechts rücken. Von neun schwarzen Roben sind künftig verlässlich fünf in der erzkonservativen Ecke zu verorten.

Weil im Lager der vier als moderat bis linksliberal geltenden Richter, die von demokratischen Präsidenten ernannt wurden, demnächst mindestens zwei 80 Jahre und älter sein werden, könnte Trump die Mehrheitsverhältnisse am Supreme Court noch bis Ablauf seiner Amtszeit bis weit über das Jahr 2050 hinaus rechts von der Mitte zementieren. Für die oppositionellen Demokraten Grund genug, um eine Protestwelle loszutreten. Zum einen sehen sie mit der Personalie mittelfristig Grundpfeiler wie das 1973 erkämpfte Recht auf Abtreibung (Roe versus Wade) oder die 2015 höchstrichterlich zugestandene Homo-Ehe in Gefahr. Zum anderen haben sie bis heute nicht verziehen, dass Kavanaugh in der Lewinsky-Sex-Affäre um Präsident Bill Clinton als rechte Hand von Sonderermittler Kenneth Star die juristischen Grundlagen für ein Amtsenthebungsverfahren ausarbeitete. Und: Bei der Präsidentenwahl 2000 spielte der tiefgläubige Katholik eine entscheidende Rolle beim Kampf um die nachträgliche Stimmenauszählung im Bundesstaat Florida, die hauchdünn für George W. Bush und gegen dessen Herausforderer Al Gore ausging. Allein darum verschleppten die Demokraten seinerzeit Kavanaughs Ernennung zum Bundesberufungsgericht über drei Jahre.

Das Gros ihrer Senatoren, die den neuen Top-Richter absegnen müssen, will Trump unbedingt die Show vermasseln. „Ich werde die Nominierung von Richter Kavanaugh mit allem bekämpfen, was mir zur Verfügung steht“, so Oppositionschef Chuck Schumer. Er verschwieg dabei aber, dass die Demokraten nicht die nötige Verhinderungsmehrheit von 51 Stimmen besitzen. Mehr noch: Weil Kavanaugh auf erlesene Referenzen der Elite-Universitäten Yale und Harvard und auf eine breite Erfahrung aus über 300 Top-Urteilen verweisen kann, könnten vereinzelt Senatoren aus umkämpften konservativen Bundesstaaten „aus Angst vor Wählerschelte mit Trump und den Republikanern stimmen“, fürchten die Demokraten.

Trump und sein Kandidat bemühten sich um Entkrampfung. Nicht die politischen Ansichten eines Richters seien für ihn relevant, sagte Trump, sondern, dass Recht gesprochen werde, wie es die Verfassung gebiete. „Recht interpretieren, nicht neues Recht schaffen“, hieß es dazu bei Kavanaugh, der sich der Unterstützung einer besonderen Familie gewiss sein kann. Kavanaugh ist mit der früheren Sekretärin von Präsident George W. Bush, Ashley Estes, verheiratet und hat lange für die Bushs gearbeitet, die ihn gestern mit Lob überschütteten: „Ein Mann von höchster Integrität, ein Freund, ein toller Familienvater. Er wird ein hervorragender Richter am Supreme Court.“