Peking/Berlin.

Am Ende ging alles ganz schnell. Liu Xia saß auf gepackten Koffern, als sie am Dienstagmorgen von ihrer Wohnung in Peking abgeholt und zum Flughafen gefahren wurde. Es war das Ende von mehr als acht Jahren Hausarrest. Wenige Stunden später landete die Witwe des vor einem Jahr verstorbenen chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo nach einem Zwischenstopp in Helsinki auf dem Flughafen in Berlin-Tegel. Bei ihrer Ankunft wurde sie von Sympathisanten begrüßt, sie selbst sagte nichts und fuhr direkt in Richtung Innenstadt.

Erst nachdem sich Liu Xia im Flieger befand, hatte ihr Bruder Liu Hui in dem sozialen Netzwerk WeChat bekannt gegeben, dass seine Schwester „ein neues Leben beginnen“ könne. Kurze Zeit später bestätigte der ebenfalls von den chinesischen Behörden drangsalierte Bürgerrechtsanwalt Mo Shaoping: „Liu Xia ist frei.“ Damit findet ein jahrelanges Ringen um die Freilassung der Künstlerin (57) ein Ende. Obwohl sie nie verurteilt wurde, steht sie seit rund acht Jahren de facto unter Hausarrest. Ein Volksgericht hatte ihren Mann 2009 wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu elf Jahren Haft verurteilt. Liu Xiaobo war Mitverfasser der sogenannten Charta 08, mit der er und seine Mitstreiter ein demokratisches China forderten. 2010 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen.

Liu Xia lebte seitdem unter scharfer Polizeibewachung. Sie durfte ihren Mann nur einmal im Monat eine halbe Stunde lang besuchen. Liu Xia leidet selbst an einer Herzkrankheit, seit einigen Jahren auch unter schweren Depressionen. Seitdem Liu Xiaobo am 13. Juli 2017 in der Haft an Leberkrebs starb, war sie von der Außenwelt nahezu komplett abgeschirmt.

Die Bundesregierung hatte sich für ihre Freilassung eingesetzt. Zweimal wurde ihre Ausreise in Aussicht gestellt, zuletzt kurz vor dem Besuch von Kanzlerin Merkel im Mai in Peking. Dass die Zustimmung zeitgleich zum Besuch des chinesischen Premierministers Li Keqiang in Berlin erfolgt, dürfte als Zugeständnis der chinesischen Führung an Berlin verstanden werden. „Die Freilassung von Liu Xia wirkt wie eine große Geste an Deutschland, eine Art Geschenk an Angela Merkel“, sagt Kristin Shi-Kupfer vom Mercator-Institut für China-Studien (Merics).