Berlin.

Der Asylstreit zwischen CDU und CSU hat die große Koalition an den Abgrund geführt – doch CSU-Chef Horst Seehofer hält den Konflikt mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nun für erledigt. „Wir schauen nach vorne“, sagte der Bundesinnenminister der „Bild am Sonntag“. „Ich sage immer: Die Windschutzscheibe ist größer als der Rückspiegel.“ Die CSU habe eine Asylwende durchgesetzt. „Wir senden damit das Signal in die Welt, dass sich illegale Mi­gration nicht mehr lohnt.“ Und mit Merkel könne er „selbstverständlich“ weiter vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Ob die Kanzlerin das genauso sieht? Und ob sich das Drama für die CSU auszahlen wird? Fakt ist: In einer neuen Umfrage steigt die AfD um drei Punkte auf den Rekordwert von 17 Prozent. Sie ist damit erstmals so stark wie die SPD, die um zwei Zähler nachgibt, wie der Sonntagstrend ergab, den Emnid wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erstellt. Auch die CDU/CSU verliert zwei Punkte, nur noch 30 Prozent würden aktuell die Union wählen. Die große Koalition hätte damit keine Mehrheit mehr. Ähnliche Ergebnisse zeigt das neue RTL/n-tv-Trendbarometer von Forsa. Die AfD erreicht auch hier einen Höchstwert – mit 16 Prozent.

Um Entschuldigung gebeten hat Seehofer Merkel nicht. „Ich verstehe die Frage nicht. Wir hatten eine inhaltliche Auseinandersetzung. Aber es gab keinerlei persönliche Herabsetzung. Dann kann man sich auch nach einem Streit weiter in die Augen sehen“, sagte der CSU-Chef. Seehofer hatte auf dem Höhepunkt des Streits seinen Rücktritt als Innenminister angedroht und Merkel schwere Vorwürfe gemacht. „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ kurz vor dem Spitzengespräch, bei dem CDU und CSU schließlich einen Kompromiss fanden. Seehofer hatte zuvor gedroht, gegen den Willen der Kanzlerin die Zurückweisung von Migranten an der deutschen Grenze anzuordnen. Es galt als wahrscheinlich, dass Merkel ihn dann entlassen hätte. Zu seiner Rücktrittsdrohung sagte Seehofer: „Das ist doch schon Geschichte. Dafür werden sich vielleicht irgendwann Historiker interessieren. Ganz generell: In meinem politischen Leben war Geradlinigkeit immer wichtiger als ein Amt.“

Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder, der im Oktober seine erste Landtagswahl als Regierungschef zu bestehen hat, sieht in der aktuellen Lage die Chance, die AfD mit den Asylplänen zu schwächen. Der Kompromiss sieht vor, dass Asylbewerber, die in einem anderen EU-Staat bereits einen Asylantrag gestellt haben, künftig von Bayern aus rasch zurückgeschickt werden können. „Auf jeden Fall drängt es die AfD zurück“, sagte Söder dazu der „Welt am Sonntag“. Die jüngsten Umfragen zeigen jedoch das Gegenteil.

Söder hatte während des Konflikts den Begriff „Asyltourismus“ für Migranten geprägt, die in andere EU-Länder weiterziehen. Das rüffelte nun der Bundespräsident. Gerade an Regierungsparteien gebe es die Anforderung, „auch auf Sprache zu achten“, sagte Frank-Walter Steinmeier im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Er mahnte angesichts der Eskalation: „Wir müssen zurück zur Vernunft.“

Das Wort „Asyltourismus“ sorgt zudem beim Koalitionspartner für Empörung – zumal der Begriff auch von der CDU-Vize Julia Klöckner aufgegriffen wurde. SPD-Chefin Andrea Nahles ist davon überzeugt, dass CSU und CDU damit das Geschäft der AfD betreiben. „Das verschiebt Maßstäbe, verletzt Werte, bedient Ressentiments“, sagte sie. SPD-Vize Ralf Stegner legte auf Twitter nach: Wer solche Begriffe benutze, sei „entweder ein hirnloser rechter Vollpfosten oder ein übler rechtspopulistischer Demagoge“. Söder verteidigte sich. „Die Bevölkerung versteht das Wort ,Asyltourismus‘ leider sehr genau“, sagte er. Die Menschen hätten kein Verständnis dafür, dass Menschen wieder nach Deutschland kämen, die bereits mit einem Einreiseverbot belegt seien.